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70 Jahre Lotus 70 Jahre Lotus

Unter Freunden – Teil 2

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ZF und Lotus verband in den 60er Jahren eine extrem erfolgreiche und intensive Partnerschaft. Der charismatische Innovator Colin Chapman war oft zu Besuch in Friedrichshafen, um dort mit den Ingenieuren sein Antriebskonzept abzustimmen…
Janine Vogler,
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Janine Vogler Oldtimer liegen der gelernten Journalistin besonders in der Verbindung mit ZF-Produkten am Herzen. Privat ist sie lieber mit Hund in der Natur oder Motorrad unterwegs.
Die Zusammenarbeit zwischen ZF und Lotus war für beide Seiten überaus gewinnbringend - die in den 60er Jahren eingefahren Siegertitel lassen sich kaum aufzählen. Rennfahrer wie Jim Clark und Graham Hill wurden zu Ikonen und schrieben bis heute Rennsportgeschichte.

Jim Clark startete allein 72-mal für Lotus in der Formel 1. Graham Hill wurde 1968 wieder Formel 1-Weltmeister auf einem Lotus Typ 49, ausgestattet mit dem 5 DS 12-Getriebe von ZF. Allein mit diesem Rennfahrzeugtyp und ZF-Technik siegten Fahrer bei Weltmeisterschaftsläufen zwölfmal. Außerdem konnte Lotus in den Jahren mit ZF dreimal die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft in der Formel 1 gewinnen. So kam es, dass Colin Chapman mit dem Lotus-Team des Öfteren auf ihrem Weg nach Monza in Friedrichshafen einen Besuch abstattete.

Die DS-Getriebe wurden in Abstimmung mit Colin Chapman stetig weiterentwickelt: Das 5 DS 10 wurde als 5 DS 12 (120 Nm) und zuletzt als 5 DS 20 erweitert. Das legendäre 500-Meilen-Rennen von Indianapolis gewann Jim Clark 1965 mit dem Typ 38 und einem ZF 5 DS 20, in dem bereits die Newtonmeter-Anzahl auf 200 erhöht wurde. Jim Clark und Colin Chapman bedankten sich gentlemanlike danach umgehend bei ZF per Telegramm, indem sie beide ZF zum Sieg gratulierten und ihre Begeisterung für die Leistung der Konstrukteure ausdrückten. Eine große Geste, die auf der einen Seite sicherlich der hohen Ingenieurskunst der ZF-Techniker gezollt war - die andererseits aber auch die sympathische, charmante Art der Gratulanten und ihre enge, vertrauensvolle Verbindung zu den Konstrukteuren am Bodensee widerspiegelte.

Das glückliche Lotus-Team nach dem 500-Meilen-Rennen 1965 in Indianapolis mit Jim Clark am Steuer und dahinter Colin Chapman.

Die Verbindung zwischen ZF und Lotus war zwar sehr partnerschaftlich, geschäftlich dauerte sie aber nur bis Ende der 60er Jahre. Die tragischen Ereignisse des Jahres 1968 mit dem Verlust von Jim Clark und Mike Spence paralysierten sicher auch die geschockten ZF-Mitarbeiter und bremsten das vorher so hochgelobte Engagement der Ingenieure auf irgendeine Art.

Das Hauptproblem war aber von Anfang an die Verfügbarkeit. Weil sich das hilfsbereite Engagement vom Bodensee in der kleinen Stückzahl als sehr aufwändig und kostenintensiv darstellte, wurden immer nur eine sehr kleine begrenzte Anzahl von Getrieben und Teilen hergestellt, die das Lotus-Team über all die Jahre erfolgreich eingesetzt hatte. So wird berichtet, dass Colin Chapman die ZF-Getriebe und ihre Zuverlässigkeit und Langlebigkeit immer wieder nicht nur stark gelobt hatte - sondern er sogar festgestellt hatte, dass kein anderes Getriebe in all seinen Versuchen zu finden war, welches der Zuverlässigkeit der ZF-Aggregate nahe gekommen wäre. Er habe aber schon 1963 eine gewisse Besorgnis in Bezug auf den Nachschub gehabt. Demnach lief das 5 DS 10 bereits in der dritten Saison und es stellten sich erste Verschleißerscheinungen ein. Teilweise spielte auch das Aluminiumgehäuse nicht mehr mit und fing an, sich aufgrund der hohen Belastung auszudehnen. Es wurde dann von den ZF-Ingenieuren zwischendurch immer wieder verstärkt, indem seitlich Graugussteile angesetzt wurden. Jim Clark selbst gab zu Bedenken, dass schon in dieser Generation Drehzahlen von 9.700 U/min übertragen wurden, das Getriebe aber nur für 7.500 U/min ausgelegt war.

Übersicht der eingesetzten Lotus-Getriebe
Typ 25 F1 1962-65 ZF 5DS10
Typ 30 Sportwagen-Meisterschaft 1964-65 ZF 5DS12
Typ 32B Tasman-Serie 1965 ZF 5DS20
Typ 33 F1 1964-66 ZF 5DS10
Typ 34 Indy 1964 ZF 5DS20
Typ 38 Indy 1965 ZF 5DS20
Typ 42 Indy 1967 ZF 5DS20
Typ 48 F2 1967-68 ZF 5DS12
Typ 49 F1 1967 ZF 5DS12
Typ 58 F2 1968 ZF 5DS12
Typ 62 Sportwagen-Meisterschaft 1969 ZF 5DS12
Typ 63 F1 (Allrad) 1969 ZF-Übertragung
Typ 64 F1 (Allrad) 1969 ZF-Übertragung

Eine spätere Nachfertigung der ersten Varianten war wirtschaftlich nicht mehr darstellbar und so war Colin Chapman schon damals auf der Suche nach Alternativen, zumal er für die nachfolgenden Getriebegenerationen 5 DS 12 und 5 DS 20 nicht mehr die exklusiven Rechte für sich beanspruchen konnte. Diese Antriebstypen wurden auch an BMW, Ford und Cooper-Maserati verkauft. Allerdings war auch hier die Stückzahl extrem überschaubar: Vom 5 DS 20 sind immerhin etwa 60 Stück ausgeliefert worden. Bei Lotus war es im Typ 30, Typ 32 B (Tasman Car) sowie den Indianapolis-Fahrzeugen Typ 34, 38 und Typ 42 eingesetzt worden. Nach 1969 wurden nur noch einzelne Getriebekomponenten an Lotus ausgeliefert, wie Antriebsräder und Tellerkegelräder.

Das Lotus-Team brauchte schnelle und flexible Lösungen, indem einzelne Komponenten kurzfristig ausgewechselt werden konnten um die Getriebe auf die jeweilige Strecke abstimmen zu können. Das war mit den ZF-Aggregaten jedoch nicht umsetzbar: so zuverlässig und präzise sie auf der einen Seite waren, so kompliziert und raffiniert waren sie auch im Innenleben angeordnet und ausgelegt. Zwar wurde nach dem Weltmeistererfolg von 1963 bei der nächsten Variante 5 DS 12 extra der erste Gang verstärkt und die Ölschmierung war verbessert worden und auch Differential und Abtriebswelle wurden vergrößert. Zusätzlich wurde die Schaltkulisse innen im Gehäuse angelegt, das brachte enorme Erleichterung bei der Justierung des Schaltgestänges. Dafür wurde dieser Getriebetyp auch in den Formel 2-Fahrzeugen Lotus Typ 48 und Typ 58 und in der Sportrennversion Typ 62 eingesetzt. Dennoch: ein kurzfristiges Wechseln der Übersetzungen war nicht machbar und das Team musste daher immer noch mindestens zwei Ersatzgetriebe für jedes Auto mitbringen: jeweils mit einer höheren und einer tieferen Achsuntersetzung.

Chapmans Sohn Clive, der heute mit seinem Classic Team Lotus die noch im Historischen Rennsport eingesetzten Lotus-Legenden der Formel 1 betreut und die legendären Monocoques restauriert, erinnert sich:

„Mein Vater hatte immer betont, dass es eine enge, starke Verbindung zwischen Lotus und ZF gegeben hatte. Die Konstrukteure von ZF und die von Lotus hatten die gleiche, ähnliche präzise Arbeitsweise und dadurch war man auf einer Linie. Es war eine produktive Arbeit und Beziehung, die meinem Vater viel bedeutet hat und die er für sehr wertvoll erachtet hat. Es wäre schön, wenn diese Verbindung auch in der Zukunft weiter getragen werden könnte…“
Clive Chapman - Classic Team Lotus

Nach dem Sieg in Indianapolis 1965 bedankt sich Jim Clark bei den Mitarbeitern von ZF mit dieser Grußkarte.

Auf dem Weg nach Monza kam das Lotus Team öfters bei ZF in Friedrichshafen vorbei.

Höflicher Umgang: In dem Schreiben bedankt sich Colin Chapman beim damaligen ZF-Vorstand Dr. Maier.

Ehrensache: Das Team von Lotus beim Verladen eines Rennfahrzeugs im Jahr 1963 in Friedrichshafen.

Das Siegerfahrzeug von Jim Clark, der Lotus Typ 38, mit dem er 1965 die legendären 500 Meilen von Indianapolis gewann. Das Original-Fahrzeug steht im Henry Ford Museum in Dearborn.

Der finnische F1-Rennfahrer Heikki Kovalainen startete 2010 neu für den inzwischen malaysischen Rennstall Lotus Racing. Hier lässt er sich beim Classic Team Lotus Festival ein historisches Lotus Formel1-Fahrzeug erklären.

Heikki Kovalainen und sein Teamkollege Jarno Trulli beim größten historischen Lotus-Event - dem Classic Team Lotus Festival im Jahr 2010.

Bildschöne Ikone: Der Lotus Type R 38.

Clive Chapman freut sich, dass immer noch ein paar Lotus mit ihrem Original-ZF-Getriebe fahren.