Unter Freunden – Teil 2
Jim Clark startete allein 72-mal für Lotus in der Formel 1. Graham Hill wurde 1968 wieder Formel 1-Weltmeister auf einem Lotus Typ 49, ausgestattet mit dem 5 DS 12-Getriebe von ZF. Allein mit diesem Rennfahrzeugtyp und ZF-Technik siegten Fahrer bei Weltmeisterschaftsläufen zwölfmal. Außerdem konnte Lotus in den Jahren mit ZF dreimal die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft in der Formel 1 gewinnen. So kam es, dass Colin Chapman mit dem Lotus-Team des Öfteren auf ihrem Weg nach Monza in Friedrichshafen einen Besuch abstattete.
Die DS-Getriebe wurden in Abstimmung mit Colin Chapman stetig weiterentwickelt: Das 5 DS 10 wurde als 5 DS 12 (120 Nm) und zuletzt als 5 DS 20 erweitert. Das legendäre 500-Meilen-Rennen von Indianapolis gewann Jim Clark 1965 mit dem Typ 38 und einem ZF 5 DS 20, in dem bereits die Newtonmeter-Anzahl auf 200 erhöht wurde. Jim Clark und Colin Chapman bedankten sich gentlemanlike danach umgehend bei ZF per Telegramm, indem sie beide ZF zum Sieg gratulierten und ihre Begeisterung für die Leistung der Konstrukteure ausdrückten. Eine große Geste, die auf der einen Seite sicherlich der hohen Ingenieurskunst der ZF-Techniker gezollt war - die andererseits aber auch die sympathische, charmante Art der Gratulanten und ihre enge, vertrauensvolle Verbindung zu den Konstrukteuren am Bodensee widerspiegelte.
Die Verbindung zwischen ZF und Lotus war zwar sehr partnerschaftlich, geschäftlich dauerte sie aber nur bis Ende der 60er Jahre. Die tragischen Ereignisse des Jahres 1968 mit dem Verlust von Jim Clark und Mike Spence paralysierten sicher auch die geschockten ZF-Mitarbeiter und bremsten das vorher so hochgelobte Engagement der Ingenieure auf irgendeine Art.
Das Hauptproblem war aber von Anfang an die Verfügbarkeit. Weil sich das hilfsbereite Engagement vom Bodensee in der kleinen Stückzahl als sehr aufwändig und kostenintensiv darstellte, wurden immer nur eine sehr kleine begrenzte Anzahl von Getrieben und Teilen hergestellt, die das Lotus-Team über all die Jahre erfolgreich eingesetzt hatte. So wird berichtet, dass Colin Chapman die ZF-Getriebe und ihre Zuverlässigkeit und Langlebigkeit immer wieder nicht nur stark gelobt hatte - sondern er sogar festgestellt hatte, dass kein anderes Getriebe in all seinen Versuchen zu finden war, welches der Zuverlässigkeit der ZF-Aggregate nahe gekommen wäre. Er habe aber schon 1963 eine gewisse Besorgnis in Bezug auf den Nachschub gehabt. Demnach lief das 5 DS 10 bereits in der dritten Saison und es stellten sich erste Verschleißerscheinungen ein. Teilweise spielte auch das Aluminiumgehäuse nicht mehr mit und fing an, sich aufgrund der hohen Belastung auszudehnen. Es wurde dann von den ZF-Ingenieuren zwischendurch immer wieder verstärkt, indem seitlich Graugussteile angesetzt wurden. Jim Clark selbst gab zu Bedenken, dass schon in dieser Generation Drehzahlen von 9.700 U/min übertragen wurden, das Getriebe aber nur für 7.500 U/min ausgelegt war.
Übersicht der eingesetzten Lotus-Getriebe | |||
---|---|---|---|
Typ 25 | F1 | 1962-65 | ZF 5DS10 |
Typ 30 | Sportwagen-Meisterschaft | 1964-65 | ZF 5DS12 |
Typ 32B | Tasman-Serie | 1965 | ZF 5DS20 |
Typ 33 | F1 | 1964-66 | ZF 5DS10 |
Typ 34 | Indy | 1964 | ZF 5DS20 |
Typ 38 | Indy | 1965 | ZF 5DS20 |
Typ 42 | Indy | 1967 | ZF 5DS20 |
Typ 48 | F2 | 1967-68 | ZF 5DS12 |
Typ 49 | F1 | 1967 | ZF 5DS12 |
Typ 58 | F2 | 1968 | ZF 5DS12 |
Typ 62 | Sportwagen-Meisterschaft | 1969 | ZF 5DS12 |
Typ 63 | F1 (Allrad) | 1969 | ZF-Übertragung |
Typ 64 | F1 (Allrad) | 1969 | ZF-Übertragung |
Eine spätere Nachfertigung der ersten Varianten war wirtschaftlich nicht mehr darstellbar und so war Colin Chapman schon damals auf der Suche nach Alternativen, zumal er für die nachfolgenden Getriebegenerationen 5 DS 12 und 5 DS 20 nicht mehr die exklusiven Rechte für sich beanspruchen konnte. Diese Antriebstypen wurden auch an BMW, Ford und Cooper-Maserati verkauft. Allerdings war auch hier die Stückzahl extrem überschaubar: Vom 5 DS 20 sind immerhin etwa 60 Stück ausgeliefert worden. Bei Lotus war es im Typ 30, Typ 32 B (Tasman Car) sowie den Indianapolis-Fahrzeugen Typ 34, 38 und Typ 42 eingesetzt worden. Nach 1969 wurden nur noch einzelne Getriebekomponenten an Lotus ausgeliefert, wie Antriebsräder und Tellerkegelräder.
Das Lotus-Team brauchte schnelle und flexible Lösungen, indem einzelne Komponenten kurzfristig ausgewechselt werden konnten um die Getriebe auf die jeweilige Strecke abstimmen zu können. Das war mit den ZF-Aggregaten jedoch nicht umsetzbar: so zuverlässig und präzise sie auf der einen Seite waren, so kompliziert und raffiniert waren sie auch im Innenleben angeordnet und ausgelegt. Zwar wurde nach dem Weltmeistererfolg von 1963 bei der nächsten Variante 5 DS 12 extra der erste Gang verstärkt und die Ölschmierung war verbessert worden und auch Differential und Abtriebswelle wurden vergrößert. Zusätzlich wurde die Schaltkulisse innen im Gehäuse angelegt, das brachte enorme Erleichterung bei der Justierung des Schaltgestänges. Dafür wurde dieser Getriebetyp auch in den Formel 2-Fahrzeugen Lotus Typ 48 und Typ 58 und in der Sportrennversion Typ 62 eingesetzt. Dennoch: ein kurzfristiges Wechseln der Übersetzungen war nicht machbar und das Team musste daher immer noch mindestens zwei Ersatzgetriebe für jedes Auto mitbringen: jeweils mit einer höheren und einer tieferen Achsuntersetzung.
Chapmans Sohn Clive, der heute mit seinem Classic Team Lotus die noch im Historischen Rennsport eingesetzten Lotus-Legenden der Formel 1 betreut und die legendären Monocoques restauriert, erinnert sich: