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70 Jahre Lotus 70 Jahre Lotus

Unter Freunden – Teil 1

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Lotus Cars wurde vor 70 Jahren von Colin Chapman gegründet - schon früh vertraute der Perfektionist auf Produkte von ZF. Seine Erfolge im Rennsport während der 60er Jahre sind bis heute legendär. ZF und Lotus verbindet dabei eine besondere Beziehung.
Janine Vogler,
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Janine Vogler Oldtimer liegen der gelernten Journalistin besonders in der Verbindung mit ZF-Produkten am Herzen. Privat ist sie lieber mit Hund in der Natur oder Motorrad unterwegs.
Mit seinen zuverlässigen und effizienten Getrieben hatte ZF in den 50er Jahren international einen fabelhaften Ruf als Getriebespezialist bekommen. Auf dem Automobilmarkt konnte man sich bei allen namhaften Herstellern wieder gut als Präzisionshersteller von Fahrwerk- und Antriebstechnik positionieren und mit der Serienproduktion eines revolutionären Getriebeprinzips, welches im DKW Junior eingeführt wurde, machte ZF erneut von sich reden.

Dabei wurde das klassische Frontmotor-Heckantriebs-Prinzip – angeflanschtes Getriebe, Kardanwelle, Differential, Hinterachse, Antrieb auf die Hinterräder - überworfen und ein neues Prinzip, bei dem das Differential im Getriebegehäuse integriert war, zum ersten Mal sehr erfolgreich umgesetzt. Bei dieser Anwendung wurde keine Kardanwelle mehr benötigt und das Differential, welches normalerweise in der Hinterachse eingebaut war, konnte dort entfallen.

Einerseits machte dieses angewandte Prinzip das Fahrverhalten stabiler und sicherer, andererseits war das Konzept auch fertigungstechnisch wirtschaftlicher und effizienter, denn es machte die Produktion der Hinterachse günstiger, weil diese nicht mehr so aufwändig und kompliziert gebaut werden musste. Lediglich das Lenkverhalten in den Kurven war schwieriger. Das Konzept des sogenannten DS-Getriebetyps war durchaus interessant für den wieder auflebenden Motorsport und speziell für die Formel 1, wo der Motor direkt hinter dem Fahrer lag. Dadurch wurde das Gewicht des Motors auf die Hinterachse verlegt und brachte über das im Getriebe integrierte Differential mehr Traktion direkt auf den Antrieb der Hinterräder.

Es war zu Beginn der 60er Jahre, als ein perfektionsversessener Gentleman aus England bei ZF auftauchte und nach einem kleinen, zuverlässigen und möglichst leichten Fünfganggetriebe für seinen Formel 1-Betrieb nachfragte: Colin Chapman war schon länger auf den Getriebespezialisten am Bodensee aufmerksam geworden. Sein Sportwagenmodell Elite war mit ZF-Viergang-Getriebe S 4-12 ausgestattet und außerdem verwendete auch er die ZF-Selbstsperrdifferentiale. Der Perfektionist und Tüftler Chapman experimentierte bereits obendrein in dem Formel-2-Wagen Typ 12 mit Zahnrädern und Getriebekomponenten von ZF. Er bestellte einzelne Teile, die dann in England zu einem sequentiellen Schaltgetriebe montiert wurden und als Lotus-Getriebe, die sogenannte „Lotus Queerbox“, bezeichnet wurde.

Genialer Techniker und Tüftler: Colin Chapman

Genialer Techniker und Tüftler: Colin Chapman.

Chapman hatte ein spezielles Interesse an der Entwicklung von Getrieben und da er mit dem umgerüsteten Typ 12 gerade in die Formel 1 eingetreten war, brauchte er eine perfekte Lösung für den Antrieb. Er hatte mit dem extrem schlanken, ersten Formel 1-Monoposto bereits einige revolutionäre Erneuerungen, wie den Leichtbau des Gitterrohrrahmens und doppelte Dreiecksquerlenker vorne umgesetzt. Und vermutlich hatte er seine später viel Aufsehen erregende Monocoque-Konstruktion bereits im Kopf, als ihm in Friedrichshafen bei einem seiner Besuche etwas auffiel: Der als sehr wach und aufmerksam beschriebene Chapman entdeckte in der Versuchsabteilung von ZF ein kleines, vollsynchronisiertes Vierganggetriebe - eben solch ein DS-Getriebe mit integriertem Differential im Gehäuse, welches allerdings für frontangetriebene, leichte Nutzfahrzeuge vorgesehen war und 1961 in Serie gehen sollte. Da es unter anderem ein Aluminiumgehäuse besaß, war es seiner Einschätzung nach für den Rennbetrieb geeignet, einige konstruktive Änderungen vorausgesetzt.

Chapman handelte sich mit ZF ein Exklusivrecht für ein neues Rennsport-Fünfgang-Getriebe aus, welches anschließend nach dem DS-Prinzip gemeinsam entwickelt wurde. Das Seriengetriebe war ursprünglich so angelegt, dass die Antriebswelle über dem Differential lag, was den Motor zu weit nach oben verlagert hätte. Die ZF-Ingenieure mussten ihre Konstruktion praktisch umdrehen, so dass die Welle am Getriebeboden hereingeführt konnte, und der erweiterte Gang machte auch ein neues Gehäuse notwendig.

Das innovative Getriebe 5 DS 10 kam dann im Mai 1961 beim Gran Prix in Monaco im ebenfalls neuen Typ 21 zum Einsatz und Innes Ireland beschrieb das Training im Vorfeld noch als Experimentalphase. Jim Clark hatte hingegen bereits am 3. April den Gran Prix de Pau mit dem neuen ZF-Getriebe gewonnen. Trotzdem experimentierte Chapman noch mit zwei ZF-Antriebsvarianten: einem Viergang- und einem Fünfganggetriebe. Das sollte sich als jedoch schwierig herausstellen, da der Fahrer Ireland noch keine Übung mit dem rechtsseitigen Schalthebel hatte. Außerdem wurden die Gänge andersherum geschaltet als sonst, nämlich von hinten nach vorne, wie ein viergängiges Nutzfahrzeuggetriebe eben…

Schnittzeichnung von ZF 5 DS 10.

Schnittzeichnung von ZF 5 DS 10.

Das Ganze mit ungewohnten fünf Gängen durchzuführen, machte es nicht eben leichter - vor allem nicht, wenn es sehr schnell gehen musste. Clark, der bekanntermaßen ein Talent besaß, sich sehr schnell auf Fahrzeuge einzustellen, hatte weniger Probleme. Ireland hingegen verschaltete sich wegen der unvertrauten Schaltkulisse dann offenbar beim Beschleunigen, indem er während des Rennens den zweiten mit dem vierten Gang verwechselte und dadurch im Training einen schweren Unfall verursachte. Die ZF-Ingenieure sortierten innerhalb kürzester Zeit noch vor Ort das Schaltschema auf eine gebräuchliche Auslegung neu.

Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Jim Clark und Innes Ireland fuhren schon 1961 insgesamt bereits sieben Siege ein, davon allein drei Gran Prix-Titel. Colin Chapman schwärmte von der fabelhaften Synchronisierung mit dem schnellen, reibungslosen Schaltwechsel. Demnach konnten bei Kupplungsproblemen im Zweifelsfall auch ohne Kuppeln die Gänge einfach durchgeschaltet werden, was allerdings für die Synchronringe nicht von Vorteil war. Der einzige Nachteil an dem Getriebe sei gewesen, dass ein Auswechseln der Radkomponenten eher einer Art Doktorarbeit gleichkommen würde, als einem schnellen Wechseln auf der Strecke.

ZF produzierte zehn Stück von den 5 DS 10 für Colin Chapman. Im Jahr 1962 wurde das Getriebe anschließend im Lotus Typ 24 und Typ 25 sowie später noch im Typ 33 eingesetzt. Bei dem extrem erfolgreichen Typ 25 hatte der studierte Luftfahrtechniker den Gitterrohrrahmen durch eine vom Flugzeugbau bekannte Monocoque-Schalen-Konstruktion ersetzt. Das verringerte das Gewicht um etwa 20 kg und erhöhte die für Straßenlage und Handling wichtige Verwindungssteife. Der Pionier des Formel 1-Rennsports Chapman, der im Laufe seiner Karriere maßgeblich zur Weiterentwicklung des Gran Prix-Rennwagens beigetragen hatte, änderte die hintere Aufhängung, indem er die Starrachse entfallen ließ.

Graham Hill wurde 1968 mit Lotus in der Formel 1 Weltmeister. 1962 Gewann er den Titel mit B.R.M.

Graham Hill wurde 1968 mit Lotus in der Formel 1 Weltmeister. 1962 Gewann er den Titel mit B.R.M.

Es blieben Längslenker, die Antriebswellen fungierten als Querlenker und dazu gab es lange, schräg gestellte radführende Federbeine und sehr filigrane Radaufhängungen. Dieser Art der Radaufhängung gab man später den Namen „Chapman-Achse“, denn Chapman verwendete sie auch in anderen Modellen. Seine Konkurrenten kritisierten ihn mitunter für die Verwendung „unterdimensionierter" Bauteile, mit denen er elementare Sicherheitsregeln zugunsten fortschrittlicher Technik missachten würde.

Das 5 DS 10 brachte dem Lotus-Team Erfolg, so konnte Chapman von 1961 bis 1965 insgesamt 49-mal gewinnen. Meistens fuhr Jim Clark und der Ausnahme-Pilot wurde zweimal Formel 1-Weltmeister: 1963 mit Lotus Typ 25 und 1965 mit Lotus Typ 33, beide Rennfahrzeuge wurden mit dem 5 DS 10 von ZF angetrieben.  

Chapman konnte von 1961 - 1965
49
Siege
einfahren.

Mit dem Lotus 25 und einem ZF-Getriebe 5 DS 10 wurde Jim Clark zum ersten Mal Weltmeister.

Jim Clark war ein Ausnahmepilot der damaligen Zeit. Der zweifache Weltmeister siegte mit Lotus und ZF.

Ein geöffnetes Getriebe ZF 5 DS 12 für die Anwendung in Lotus 1967.

ZF war bei den filigranen Lotus-Rennwagen immer gut zu erkennen. Dass ein Fahrzeug heute noch nach über 50 Jahren noch mit einem originalen ZF-Aggregat gefahren werden kann, ist eher selten.

Auch die Achsaufhängung wurde von Colin Chapman mit dem Dreiecksquerlenker revolutioniert…

Colin Chapman hatte zuerst den Gitterrohrrahmen durch eine vom Flugzeugbau bekannte Monocoque-Schalen-Konstruktion ersetzt.

Colin Chapman war selbst ein genialer Techniker und Tüftler. Wenn er zu Besuch nach Friedrichshafen kam, stimmten sich Ingenieure, Konstrukteure und Monteure gemeinsam ab.