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Smarte Sensoren, smartes Pkw-Fahrwerk - von A bis Z

Wenn Autos bremsen, lenken oder komfortabel gefedert dahingleiten, sind Fahrwerk-Aktuatoren im Spiel. Das branchenweit umfassendste Angebot hat ZF, inklusive Software-Funktionen für die Steuerung. Eine attraktive Mischung.

Autor: Andreas Neemann, 2023-07-21

Autos werden immer intelligenter. Neben Fahrerin oder Fahrer bestimmt in neuen Fahrzeugmodellen ganz oft die Software, wo es lang geht. Code steckt in Assistenzsystemen oder autonomen Fahrfunktionen und gibt von dort binnen Millisekunden den konkreten Fahrweg vor. Oder Algorithmen bestimmen je nach gewähltem Fahrprofil die optimalen Parameter in Bezug auf Beschleunigung, Lenkeinschlag und Dämpfung. Dank zahlreicher Informationen aus Kamera- und Sensordaten errechnet die Software stets, welches die effizienteste, komfortabelste oder sicherste Fahrweise ist.

Das Software-definierte Fahrzeug ist ein Trend, auf den sich aktuell die gesamte Industrie und also auch ZF einstellt: Im Automobil ändert sich die „Kommandostruktur“ – auch E/E-Architektur genannt. Aus dezentral wird zentral. Ein auf einem Zentralrechner platziertes komplexes Steuerungsprogramm zieht immer mehr Befugnisse an sich. Bildlich gesprochen regiert Software als „neue Königin“ mit ihrem größeren Überblick über die Köpfe vorhandener „kleiner Fürsten“ hinweg, nämlich dezentrale Steuerung für Bremse, Dämpfung, Lenkung und viele weitere Systeme.

Funktionen sind Trumpf

„Dieser Trend bringt für ZF einiges an Zukunftschancen, denn ganz gleich, wie umfassend die ‚Machtbefugnisse‘ des Zentralrechners im neuen Software-definierten Fahrzeug sein werden: Lenken, Bremsen, die Dämpfkraft einstellen – all das werden weiterhin Aktuatoren machen“, erklärt Dr. Christoph Elbers, Leiter Entwicklung Vehicle Motion Control bei ZF.
„Dieser Trend bringt für ZF einiges an Zukunftschancen."
Dr. Christoph Elbers, Leiter Entwicklung Vehicle Motion Control

Und von denen hat der Konzern ein branchenweit einzigartiges Gesamtangebot – das zudem ab 2024 unter dem Dach einer eigenen Division gebündelt wird. Aus der neuen Konzerneinheit kommt im Hinblick auf die fahrphysikalischen Freiheitsgrade der Längs-, Quer- und Vertikaldynamik (also Bremsen oder Beschleunigen, Lenken oder Dämpfen) alles, was ein Pkw mit der weiteren Vernetzung zum Antrieb braucht.

Was ZF bietet, sind nicht nur mechanische und mechatronische Komponenten beispielsweise Achsen, Dämpfer, Bremsen und Lenkungen. Fast wertvoller ist der immense Erfahrungsschatz, den ZF im Hinblick auf die Funktionen hat, mit denen sich die jeweilige Mechanik steuern lässt. Denn die Funktionen für seine Einzelsysteme entwickelt ZF schon seit Jahrzehnten. „Wir passen diesen Vorzug an die aktuellen Erfordernisse an und entwickeln Software für ZF-Fahrwerkfunktionen so, dass sie sich bequem untereinander vernetzen lässt“, so Elbers. Damit harmoniert beispielsweise eine ZF-Hinterachslenkung schon „ab Werk“ mit einer ZF-Vorderachslenkung und der Bremse – und just ein solches Gespann kann auf unglaublich viele fahrdynamische Anforderungen und Gefahrensituationen glänzend reagieren. Der Konzern ist damit ein marktführender Technologiepartner und Gesamtanbieter für Vehicle Motion Control (VMC).

Alles aus einer Hand

ZF bedient die neuen Trends in Richtung Elektrifizierung und Software-definierte Fahrzeuge auf mehrfache Weisen: als Systemintegrator, als Plattformanbieter, als Innovator oder wie bislang als Lieferant.

ZF kann – erstens – die Autohersteller als Systemintegrator entlasten. „Das ist vor allem attraktiv für relativ neue Player, die nicht über eine jahrzehntelange eigene Entwicklungstradition, entsprechende Erfahrung und große Ressourcen verfügen“, weiß Manfred Meyer, Leiter Forschung & Entwicklung Division Chassis Solutions bei ZF.

Alles aus einer Hand

Die Hersteller geben das Wunsch-Fahrverhalten vor, die individuelle „Fahrwerk-DNA“ ihres Modells – beispielsweise knackige, sportliche Lenkung, straffes Fahrwerk, präzises Einlenkverhalten. ZF stellt sämtliche Systeme inklusive Funktionen bereit, die das in die Realität übertragen.

Eine zweite Herangehensweise richtet sich an jene Automobilhersteller, die die Systemintegration in ihrer eigenen Hoheit sehen oder die zumindest teilweise auch auf Aktuatoren von anderen Lieferanten setzen wollen. Sie können dennoch eine Plattform von ZF nutzen: cubiX. Das Regelsoftware-Paket fungiert als Vehicle-Motion-Control-Koordinator. Auf Basis von Sensordaten aus dem gesamten Fahrzeug koordinieren die cubiX-Regelalgorithmen Lenkung, Bremse, Fahrwerk- und Antriebsaktuatorik als ein ganzheitliches System. Bei einem E-Antrieb werden auch die Anteile des rekuperativen Bremsens durch cubiX beeinflusst. So optimiert die VMC-Plattform von ZF nicht nur das Fahrverhalten mit Blick auf Komfort, Dynamik und Effizienz, sondern bildet auch die Grundlage für fortschrittliche Fahrerassistenzfunktionen (ADAS, Advanced Driver Assistent Systems). „cubiX ist unser erstes reines Software-Produkt mit einem entscheidenden Vorteil: Es ist kompatibel mit verschiedenen Aktuatoren, unabhängig vom Hersteller oder der konkreten Auslegung“, so Engelke. „Herstellern bieten wir damit die Flexibilität, verschiedene Modellreihen ohne zusätzlichen Integrationsaufwand mit ein und derselben Steuerplattform zu realisieren.“

Innovative Steer-by-Wire-Technologie

Drittens gewinnt die Rolle von ZF als Innovationsbringer weiter an Bedeutung. Insbesondere mit der zunehmenden Verbreitung von E-Fahrzeugen wird der Bedarf an „By-Wire“-Technologien steigen – also vor allem Lenkungen und Bremsen, die ohne mechanische Verbindung zwischen Fahrersitz und Aktuator arbeiten. ZF ist als einer der ersten Anbieter mit einer By-Wire-Lenkung 2022 in Serie gegangen. „Steer-by-Wire“-Systeme punkten durch mehr konstruktive Freiheiten wie auch durch eine bessere Systemfähigkeit. Letzteres ist nicht nur wichtig für hochautomatisierte Assistenzsysteme wie Spurhalteassistenten. Auch wenn Fahrerinnen oder Fahrer selbst lenken, sind diese Systeme eine Erleichterung.
„Unsere besondere Stärke ist, dass wir Steer-by-Wire-Systeme so auslegen können, dass sie in puncto Gefühl und Feedback von bisherigen Elektrolenkungen mit mechanischer Verbindung zur Fahrbahn nicht zu unterscheiden sind."
Manfred Meyer, Leiter Forschung & Entwicklung Division Chassis Solutions bei ZF

Wenn beispielsweise beim Einparken eine halbe Lenkraddrehung einen wesentlich größeren Lenkeinschlag auslöst als bei der normalen Fahrt. Wie stark die Menschen hinter dem Volant diese Systeme akzeptieren, wird auch davon abhängen, wie sicher, komfortabel und fahrdynamisch sie sind – also auch, wie sie sich „anfühlen“. Niemand will ein Auto fahren, dessen Lenkrad so teigig agiert wie der Joystick an einem Computerspiel. Feedback ist gefragt, wenn man etwa über das Lenkrad „erfühlen“ kann, wie viel Bodenkontakt die Reifen noch haben. ZF greift bei der Entwicklung seines Steer-by-Wire-Systems auf die immense Erfahrung aus drei Jahrzehnten Lenkungs-Kompetenz zurück. Der Konzern hat ein einzigartiges Torque-Feedback-Konzept entwickelt. „Unsere besondere Stärke ist, dass wir Steer-by-Wire-Systeme so auslegen können, dass sie in puncto Gefühl und Feedback von bisherigen Elektrolenkungen mit mechanischer Verbindung zur Fahrbahn nicht zu unterscheiden sind“, erklärt Meyer.

Das führt zum vierten Punkt: der kompromisslos hohen Sicherheit, die nach wie vor bei vielen Systemen für Pkw gefordert ist. „Weil Lenkung und Bremse niemals ausfallen dürfen, ist deren Steuerung mehrfach redundant ausgelegt“, erklärt Meyer. Also greift nicht nur der Zentralrechner für vernetzte Fahrfunktionen darauf zu – es verbleiben stets auch weitere Steuereinheiten eine Ebene darunter. Ingenieure reden in Anspielung auf die Biologie von „Gehirn“ und „Rückenmark“. Reflexe sind bei Menschen und Tieren oft im Rückenmark verankert, dort können sie zuverlässig und ohne weiteren Zeitverlust durch Nachdenken abgerufen werden. Ebenso zuverlässig und ausfallsicher müssen Lenkung und Bremse von der Auto-Elektronik gesteuert werden.

Die Zukunft braucht alles

Auch wenn der Trend zum Software-definierten Fahrzeug aktuell sehr dominant ist – nicht alle ZF-Aktuatoren werden in Zukunft „Smart Actuators“ sein, die darauf ausgelegt sind, ihre Befehle von einem Zentralrechner zu erhalten. Und ZF wird auch nicht zum „Code-Verkäufer“ für die Automobilhersteller, damit diese auf der Basis der jahrzehntelangen Erfahrungen von ZF künftig eigene Fahrfunktionen ergänzen. „Aber wir sind offen für eine neue Rollenverteilung mit den Herstellern, ebenso auch für neue Business-Modelle“, so Elbers. Das gilt beispielsweise für den Bedarf von Over-the-Air-Updates – wenn neue Funktionen ohne Werkstattaufenthalt über die Cloud auf das Fahrzeug „geladen“ werden können. Dazu zählt auch eine schnellere und schlankere Entwicklungskooperation.

Oder um im Bild zu bleiben: Die „neue Königin“ Software hat ZF in der Automobilelektronik längst anerkannt – und kann ihr wahlweise ein Schloss bauen oder einen sehr effizienten Beamtenapparat zur optimalen Verwaltung zur Seite stellen. Sie muss nur sagen, was sie braucht.