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Wie ZF einen Hybrid-Truck in die Wüste schickte

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Tags: Motorsport, Elektromobilität
Bei der Rallye Dakar 2020 startet der Rennstall Riwald Dakar als erstes Team mit einem Hybrid-Truck. Dessen Antriebsstrang stammt von MKR Technology in Zusammenarbeit mit dem Technologiepartner ZF. Wie es dazu kam? Das Team erinnert sich.
Lars Weitbrecht, 16. Januar 2020
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Lars Weitbrecht kommt ursprünglich aus der Musik- und Gamingbranche, hält aber neben Gamepad und Gitarre auch gerne Stift und Lenkrad in der Hand.
Die letzte Etappe Hochspannung beginnt in Haradh und führt nach Quiddya in Saudi-Arabien. Wenn der Offroad-Truck des Rennstalls Riwald Dakar am 17. Januar die Ziellinie der Rallye Dakar 2020 überquert, hat das Fahrzeug 7.856 Kilometer Wüste hinter sich. Egal, welche Endwertung Riwald Dakar dabei einfährt, ein Platz in der Geschichte ist dem Rennstall sicher. Riwald Dakar ist das erste Team, dass bei der Rallye Dakar mit einem Hybrid antritt.

Speed im Rennen, Speed bei der Entwicklung

Speed im Rennen, Speed bei der Entwicklung

„Die Idee ist völlig verrückt”, dachte sich Ralf Boss, Direktor Sonderfahrzeugsysteme bei ZF, als der Hybrid-Antriebsstrang für die Dakar zum ersten Mal diskutiert wurde. Einen unterstützenden elektrischen Motor in einem Rallyefahrzeug verbauen, noch dazu in einem 1000-PS Offroad-Monstrum mit Allradantrieb? Und damit dann durch die Wüste?
„Allerdings hatten wir eine ähnlich verrückte Idee – ein schweres automatisches Lastschaltgetriebe – schon vor sechs Jahren erfolgreich für MKR Technology umgesetzt. Auch deswegen wollten wir uns auf die Herausforderung einlassen.”
Ein weiterer Grund: Das ZF-Team war neugierig, wie sich die notwendigen Komponenten im Härteeinsatz verhalten und mit welcher Leistung sie dabei auf Dauer performen können.
„Grundsätzlich vertrauen wir unserer Technik”, so Boss weiter. „Bei der Konstruktion war der größte Knackpunkt, welche Komponenten wir nehmen und wie wir sie am besten kombinieren. Sportlich hingegen war der gesteckte Zeitrahmen.”
Nur rund sechs Monate blieben bis zur Dakar. Im Rennsport geht eben alles sehr viel schneller als in der normalen Serienentwicklung. Man warb daher schon früh innerhalb von ZF um Unterstützung. „Wir haben den Zeitplan vor allem deshalb so gut einhalten können, weil wir über die Grenzen von Divisionen, Geschäftsbereichen und Organisationen hinweg Hand in Hand arbeiteten“, sagt Boss.
Die E-Maschine des Fahrzeugs ist ein elektrischer Zentralantrieb samt Leistungselektronik, der auf den Truck-Einsatz umgerüstet wurde.

Von Vertrauen und Technik

Von Vertrauen und Technik

Die Partnerschaft zwischen ZF und MKR Technology besteht seit 30 Jahren. Man kennt sich; man weiß, worauf es ankommt. Vor allem hat man Erfahrung darin, Trends zu setzen. Als der Technologiekonzern und das MKR-Team 2014 den ersten Rallye-Truck mit Automatgetriebe ins Rennen schickte, schmunzelten die Mitbewerber noch. Mittlerweile ziehen von Jahr zu Jahr immer mehr Rivalen mit.
Es ist diesem Vertrauen und den Fähigkeiten des Entwicklungsteams zu verdanken, dass der Hybrid-Antriebsstrang schon bei der Dakar 2020 antritt.
©Rally Maniacs
Um sicherzustellen, dass der Antriebsstrang den harten Bedingungen standhält, basiert die Hybridlösung auf bewährten ZF-Komponenten.

Der Startschuss des Projekts fiel etwas mehr als sechs Monate vor Rallyebeginn. Um den Zeitplan einzuhalten und sicherzustellen, dass der Antriebsstrang den harten Bedingungen der saudi-arabischen Wüste standhält, basiert die Hybridlösung auf bewährten Komponenten. Automat- und Verteilergetriebe stammen aus dem Nutzfahrzeugbereich und sind rallyeerprobt. Die E-Maschine ist ein elektrischer Zentralantrieb samt Leistungselektronik, der auf den Truck-Einsatz umgerüstet wurde.
„Wir wollten möglichst seriennah bleiben, um viele Erfahrungen aus der Rallye Dakar für den Einsatz in anderen Anwendungen übertragen zu können", so Bernd Aumann. Er ist für den Vertrieb und die Applikation von Sonderfahrzeugsystemen der Division Industrietechnik bei ZF zuständig.

Die beiden größten Veränderungen auf der Hardware-Seite des Achsantriebs blieben deswegen der Wegfall des serienmäßigen Differenzials und die Entwicklung einer neuen Übersetzungsstufe. Diese gleicht die massiven Unterschiede in der Umdrehung aus, die vom Dieselmotor beziehungsweise der E-Maschine auf das Verteilergetriebe wirken. Ebenfalls neu ist das Hybrid-Steuergerät samt Software, die speziell für die Rallye programmiert wurde. Den E-Motor taufte ZF auf den Namen CeTrax Lite RS.
„CeTrax Lite RS unterstützt so mit weiteren 80 kW Leistung auf Dauer, 150 kW in der Spitze und 1.400 Nm zusätzlichem Drehmoment, ohne dass es die Achsen zerreißt”, so Aumann. Welchen Vorteil die zusätzliche Power bringt, wurde auf der Teststrecke deutlich. Dort machte MKR mit dem neuen Antrieb konstant mehrere Sekunden gut. Neben der zusätzlichen Leistung ist vor allem auch der Rekuperationseffekt der E-Maschine für diesen Zeitgewinn verantwortlich. Dadurch kann der Pilot später und härter in die Bremsen steigen und länger am Limit fahren.
Der E-Motor CeTrax Lite RS unterstützt so mit 80 kW Leistung auf Dauer, 150 kW in der Spitze und 1.400 Nm zusätzlichem Drehmoment.

Der Spaß kommt am Ende

Der Spaß kommt am Ende

Über die gesamte Entwicklungszeit hielten MKR und ZF durch dick und dünn zusammen. „Eine kurze Episode lang wurde es spannend, ob wir das hinkriegen”, so Mario Kress, Teamchef und Gründer von MKR. Doch durch den ständigen Austausch zwischen den Ingenieuren und den Rennfahrern konnten Probleme schnell identifiziert und behoben werden. Der Antrieb wurde besser und besser und machte sein volles Potenzial auf den Teststrecken deutlich. Nach nur zwei Wochen Erprobung waren die Beteiligten vollends überzeugt. Es stand fest: Bei der Dakar 2020 würde man erstmals mit einem Hybriden antreten.
„Es war anstrengend und stressig. Aber der Spaß kommt am Ende. Wir sind stolz, das Projekt gemeistert zu haben”, so Aumann. „Jetzt sind wir gespannt darauf, wie unser Antrieb beim Härtetest abschneidet. Viel Sand, viele Erschütterung – das verspricht wichtige Einblicke für die Serienentwicklung in anderen herausfordernden Fahrzeugtypen, wie etwa Löschfahrzeugen.”
„Wir haben wirklich das Unmögliche möglich gemacht”, ergänzt Teamchef Mario Kress. Und dann, untertreibend: “Es rollt und funktioniert und wir sind alle glücklich.”

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