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E-Mobilität unter härtesten Bedingungen

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Tags: Motorsport, Effizienz, Elektromobilität, NullEmissionen
Das ZF-Partnerteam Venturi ist nicht nur mit Publikumsliebling Felipe Massa in die neue Formel-E-Saison gestartet. Sondern auch mit komplett neuen und schnelleren Rennwagen. Deren elektrischer Antriebsstrang entstand erstmals komplett bei ZF.
Martin Westerhoff, 18. Dezember 2018
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Martin Westerhoff studierte Technikjournalismus und schreibt seitdem über Fahrzeuge und Technologien. Er hat ein Faible für Motorsport und Rennwagen.
Felipe Massa backt lieber erst einmal kleine Brötchen, wenn er zu seinen Ambitionen in der Formel E gefragt wird. „Ich bin wirklich begeistert und hoffe, dass ich so schnell wie möglich dazulernen kann. Mein Ziel ist es, rasch wettbewerbsfähig zu sein, um letztlich langfristig in der Formel E zu fahren“, gibt sich der Formel-1-Vizeweltmeister von 2008 bescheiden. Dabei lag er beim Saisonauftakt im saudi-arabischen Diriyya lange auf dem respektabelen achten Platz von insgesamt 22 Startern. Dass er sein Debüt letztlich nur mit Platz 17 im Endergebnis beendete, lag mehr an den noch ungewohnten Eigenheiten der Formel E als an seinem fahrerischen Können. So patzte der wohl prominenteste Neuzugang in der rein elektrischen Rennserie beim Energiemanagement und setzte den sogenannten Fanboost zu früh ein – was die Rennleitung mit insgesamt drei Strafen sanktionierte.
Das Venturi-Team bereitete sich mit Unterstützung von ZF intensiv auf die Formel-E-Saison 2018/19 vor.

Massa brennt auf gute Ergebnisse

Massa brennt auf gute Ergebnisse

Beim nächsten Lauf am 12. Januar in Marrakesch will er es unbedingt besser machen. „Das Fahren habe ich wirklich genossen und denke, dass ich auch durchaus mein Potenzial in der Formel E zeigen konnte. Die Erfahrung des ersten Wochenendes wird uns sicher beim nächsten Rennen helfen. Jedenfalls brenne ich schon darauf, zu kämpfen und gute Ergebnisse für das Team zu erzielen“, kündigt Massa an. Nach 16 Saisons in der weltweit schnellsten Formelkategorie startet er nun an der Seite seines Fahrerkollegen Edoardo Mortara für das Venturi-Team. Und das in der „zweifelsfrei am rasantest wachsenden Meisterschaft der Welt“, wie der langjährige Teamkollege von Michael Schumacher selbst betont.

Vier Formel-E-Rennwagen mit ZF-Antriebsstrang

Vier Formel-E-Rennwagen mit ZF-Antriebsstrang

„Es ist nicht nur diese Rennserie, sondern auch die Haltung gegenüber elektrischen Pkws – alles ist eng mit ZF verbunden“, hebt Massa hervor. Denn bereits seit 2016 verbindet ZF und Venturi eine Technologiepartnerschaft in der Formel E. Neu ist jedoch, dass in der nunmehr fünften Saison erstmals komplett neue Rennwagen eingesetzt werden. Umfasste die Kooperation bislang Rennstoßdämpfer sowie seit der vierten Saison auch das Getriebe, setzt das monegassische Team nun auf noch mehr ZF-Kompetenz. Für den Venturi VFE-05 entwickelte das Unternehmen erstmals den gesamten elektrischen Antriebsstrang. Es ist der erste, den ZF rein für den Einsatz im Motorsport geschaffen hat. Und umfasst neben einem 250 Kilowatt (340 PS) starken Motor auch die Leistungselektronik sowie ein Ein-Gang-Getriebe. Neben Venturi bestreitet die deutsche Mannschaft von HWA Racelab ihre Formel-E-Debütsaison mit den baugleichen Fahrzeugen – als Kundenteam der Monegassen. Somit kommt der elektrische ZF-Antriebsstrang gleich viermal zum Einsatz.
340
PS
leistet der elektrische Antriebsstrang von ZF in der Formel E

Rennsport- und Serienkompetenz gebündelt

Rennsport- und Serienkompetenz gebündelt

„Die Entwicklungsgeschwindigkeit im professionellen Rennsport ist enorm hoch. Da die Anforderungen an das Gesamtsystem lange Zeit offen waren, hatten wir in unserer Entwicklungsarbeit viele kurzfristige Änderungen und Designschleifen zu berücksichtigen“, erläutert Tobias Hofmann, Technischer Projektleiter elektrischer Achsantrieb Formula E. „Entscheidend für den Erfolg war am Ende die gute, konzernweite Zusammenarbeit. An der Entwicklung des Antriebsstrangs waren neben der Division E-Mobility auch ZF Race Engineering sowie die ZF-Vorentwicklung maßgebend beteiligt.“ Damit bündelte der Konzern effizient und gewinnbringend das Know-how von Rennexperten und Serienentwicklern. Dem Antriebssystem fällt schließlich eine tragende Rolle zu, um den entscheidenden Unterschied auf den temporären Stadtrennstrecken der Formel E zu machen. Denn die Chassis inklusive aller Aerodynamik-Bauteile der sogenannten Gen2-Fahrzeuge sind, anders als etwa in der Formel 1, für alle Hersteller und Teams gleich.

Wirkungsgrad spürbar gesteigert

Wirkungsgrad spürbar gesteigert

Ebenfalls eine einheitliche Komponente sind in der Formel E weiterhin die Batterien. Gegenüber den Gen1-Fahrzeugen verfügen sie jedoch über die doppelte Speicherkapazität. Dadurch sind die obligatorischen Boxenstopps mit Fahrzeugwechsel zur Rennmitte Vergangenheit geworden. Da das technische Reglement auch die Motorleistung begrenzt, ist eine möglichst effiziente Leistungsübertragung zu den angetriebenen Hinterrädern umso entscheidender. „Um im Kampf um die besten Rundenzeiten wettbewerbsfähig zu sein, haben wir das Getriebe nochmals deutlich weiterentwickelt“, erklärt Hofmann. „Mit dem neuen Konzept konnten wir abermals eine deutliche Gewichtsersparnis von nahezu 40 Prozent im Vergleich zur Vorsaison erzielen“, freut sich der Technische Projektleiter und fügt an: „Zudem konnten wir mit unserem neuen Antriebsstrang den Wirkungsgrad spürbar steigern.“
„Es ist nicht nur diese Rennserie, sondern auch die Haltung gegenüber elektrischen Pkws – alles ist eng mit ZF verbunden."
Felipe Massa, Rennfahrer des Venturi Formula E Teams

Die Rennstrecke als Härtetest

Die Rennstrecke als Härtetest

Der ebenfalls neue Inverter ist die erste ZF-eigene Leistungselektronik mit Hochleistungs-Siliciumcarbid-Modulen. Diese Halbleiter-Technologie plant das Unternehmen künftig auch in Serienanwendungen einzusetzen. Statt schneller Rundenzeiten soll die höhere Effizienz hier bei gleicher Batteriekapazität die Reichweite von Elektrofahrzeugen um fünf bis zehn Prozent erhöhen. Einen Wissenstransfer von der Straße auf die Rennstrecke stellt die Regelungssoftware der Leistungselektronik dar. Denn sie basiert auf jahrelanger Erprobung in der Serie, ist jedoch speziell an die besonderen Anforderungen des Motorsports angepasst. „Neben unseren klassischen Kernprodukten im Motorsport wie Stoßdämpfern und Kupplungen stellen wir nun auch mit dem neuen elektrischen ZF-Antriebsstrang unsere Kompetenz im Spitzenmotorsport und insbesondere in der E-Mobilität unter härtesten Bedingungen unter Beweis. Die Formel E ist dafür die optimale Plattform,“ erklärt Norbert Odendahl, Geschäftsführer von ZF Race Engineering. Und auch auf Publikumsliebling Felipe Massa ist der Funke der E-Mobilität bereits übergesprungen. „Es ist mir ein Vergnügen, Teil dieser Evolution und neuen Mentalität zu sein.“

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