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Motor der Zukunft: ohne Seltene Erden

Die Elektromobilität ist eng verbunden mit dem Einsatz sogenannter Seltenerdmetalle. Da deren Herkunft und Gewinnung problematisch sein kann, geht ZF drei Wege, um das Produktportfolio so verantwortungsbewusst wie möglich zu gestalten.

Autor: Frank Thoma, 2024-03-11

Was der Verbrennungsmotor für die Mobilität des 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts war, ist der Elektromotor für die Mobilität von heute und morgen. Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) in ihrem „Global EV Outlook 2023“ wird der Anteil von Elektrofahrzeugen im Jahr 2030 weltweit die 35-Prozent-Marke erreichen. Sind beim Verbrenner vor allem die durch den Treibstoff verursachten Emissionen problematisch, gelten beim E-Motor die zumeist darin eingesetzten Permanentmagnete als dessen Achillesferse. Diese Magnete enthalten große Mengen der sogenannten Seltenerdmetalle Neodym, Praseodym und Dysprosium, die sehr aufwändig gewonnen werden. Im elektrischen Antriebsstrang eines Personenwagens stecken bis zu fünf Kilogramm dieser Metalle, im Generator einer Windkraftturbine sind es sogar zwischen 300 und 550 Kilogramm.

Seltene Erden: so wichtig, so problematisch

Zur Gruppe der Seltenerdmetalle, kurz: Seltene Erden, zählen insgesamt 17 Metalle. Zwar sind diese Metalle grundsätzlich in großer Menge vorhanden, jedoch lohnt sich ein Abbau erst, wenn das Erz im Boden einen ausreichend hohen Gehalt an Seltenerdmetallen enthält. Deshalb sind die heute bekannten und erschlossenen Vorkommen auf wenige Regionen der Welt verteilt. Derzeit fördert China zwischen 70 und 80 Prozent aller Seltenen Erden für den Weltmarkt. Dieser Umstand schafft für alle Abnehmer eine starke Abhängigkeit und birgt das Risiko von Handelsbarrieren. Wie bei anderen Rohmaterialketten, ist auch bei den Seltenerdmetallen die Überwachung von Arbeitssicherheit und menschenrechtlicher Sorgfalt herausfordernd. Dazu kommt, dass die Gewinnung von Seltenerdmetallen in Minen gewaltige Erdbewegungen erfordert. Auch birgt der notwendige Einsatz giftiger Chemikalien die Gefahr, Böden und Wasser zu verschmutzen.

Aus dem bisher Gesagten ergeben sich für ZF drei Verpflichtungen zum Handeln: So ist dafür zu sorgen, dass die beispielsweise in den E-Motoren verwendeten Seltenen Erden ethisch wie ökologisch einwandfrei produziert wurden. Ebenso wichtig ist, das Recycling bei diesen wertvollen Materialien zu forcieren. Der beste Weg und damit das Ziel von ZF ist der Verzicht auf Seltenerdmetalle in den eigenen Produkten. An deren Stelle treten neue technische Lösungen.

„Auch unsere Lieferanten von Produkten, die Seltene Erden enthalten, verpflichten sich, dass sie sich an die von ZF definierten Standards für Umweltschutz und Menschenrechte halten.“
Olga Schick-Scheider, Head of Supply Chain Sustainability bei ZF

Kommen wir zu Punkt eins, zur verantwortungsbewussten Beschaffung von Seltenerdmetallen. ZF kauft diese nicht in Rohform ein, sondern bereits verarbeitet zu Vorprodukten, vor allem als Permanentmagnete für Elektromotoren. Die Produkte kommen aus verschiedenen Ländern, hauptsächlich aus China und Japan. „Wie bei allen Produkten, die wir zukaufen, verpflichten sich auch unsere Lieferanten von Produkten, die Seltenen Erden enthalten, dass sie sich an die von ZF definierten Standards für Umweltschutz und Menschenrechte halten. Wir bewerten die Nachhaltigkeitsleistung unserer Lieferanten und unterstützen sie auf ihrem Weg dorthin“, sagt Olga Schick-Scheider, Head of Supply Chain Sustainability. Darüber hinaus bedient sich der Konzern verschiedener Tools, um die Nachhaltigkeits-Performance seiner Lieferanten zu bewerten.

Seltene Erden wiedergewinnen

Recycling ist ein weiterer Weg, mit dem kritischen Material „Seltene Erden“ nachhaltiger umzugehen. Derzeit arbeitet ZF an strategischen Partnerschaften mit Anbietern von recycelten Magneten. Größere Mengen an recycelten Metallen werden jedoch erst in einigen Jahren zurückgewonnen werden, wenn viele Elektromotoren und Windturbinen ihr Lebensende erreicht haben. Recycling verbessert zwar vor allem in Zukunft den Product Carbon Footprint von Abnehmern wie ZF und ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Kreislaufwirtschaft, allerdings verändert auch verstärktes Wiederaufbereiten natürlich nichts an der Tatsache der geografisch sehr ungleichmäßig verteilten nutzbaren natürlichen Vorkommen.

Neodym, Teil der Gruppe der Seltenen Erden, das in Permanentmagneten von Elektromotoren eingesetzt wird.

Neodym, Teil der Gruppe der Seltenen Erden, das in Permanentmagneten von Elektromotoren eingesetzt wird.

Das Recycling Seltener Erden steht vor einem großen Aufschwung. Initiativen, die dieses Recycling fördern, sind daher weltweit gefragt. Ein von der EU gefördertes Forschungsprojekt, SUSMAGPRO, steht für „Sustainable Recovery, Reprocessing and Reuse of Rare Earth Magnets in a European Circular Economy“. Gemäß SUSMAGPRO liegt die Recyclingquote für Seltenerdmetalle derzeit weltweit bei weniger als einem Prozent. Bis zum Jahr 2027 sollen es in Europa 25 Prozent sein. Eines der Projektziele ist der Aufbau einer Recycling-Lieferkette für Seltenerdmagnete in Europa. Dafür haben sich 19 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen zusammengeschlossen, darunter auch ZF.

Recyclinggerecht entwickeln

Ein Aspekt, mit dem sich ZF bei SUSMAGPRO befasst, ist die Frage, wie sich Produkte entwickeln so lassen, um eine effiziente Demontage am Ende der Produktlebensdauer zu ermöglichen. „Designs zu optimieren, um kritische Seltenerdmaterialien bestmöglich zu nutzen, magnetfreie Designs zu nutzen, wo sie sinnvoll sind und sicherzustellen, dass Seltenerdmetalle am Ende der Lebensdauer eines Produkts nicht verloren gehen, tragen zu einer nachhaltigen Zukunft bei“, sagt Dr. David Moule. Er ist Technischer Spezialist für elektrische Antriebe im ZF-Kompetenzzentrum Servoantriebe.

Die Erkenntnisse der ZF-Konstrukteure von SUSMAGPRO fließen in die Neukonstruktion von Motoren ein. Dabei geht es vor allem um deren verbesserte Recyclingfähigkeit, was wiederum die Nachhaltigkeitsstrategie von ZF unterstützt.

Seltenerdmetalle vermeiden

Wie dies gerade beim heute üblichen permanentmagneterregten Synchronmotor (PSM) mit dessen relativ großer Menge an Seltenerdmetallen gelingen kann, zeigt das Beispiel I2SM (In-Rotor Inductive-Excited Synchronous Motor). Mit I2SM präsentierte ZF im Spätsommer 2023 eine weiterentwickelte, serienreife Variante eines sogenannten fremderregten Synchronmotors (FSM). Im Unterschied zu anderen verfügbaren magnetfreien Konzepten fremderregter E-Motoren wird beim I2SM von ZF die Energie für das Magnetfeld über einen induktiven Erreger innerhalb der Rotorwelle übertragen. Verglichen mit gängigen FSM-Systemen fallen im I2SM durch den induktiven Erreger die Verluste bei der Energieübertragung in den Rotor um 15 Prozent niedriger aus.

Weltweit kompaktester und drehmomentdichtester E-Motor ohne Magnete und Seltene Erden: I2SM-Konzept von ZF

Weltweit kompaktester und drehmomentdichtester E-Motor ohne Magnete und Seltene Erden: I2SM-Konzept von ZF

Auch ohne Permanentmagnete hat dieser Motor also eine extreme Leistungs- sowie Drehmomentdichte und ist dabei noch ungewöhnlich klein. „Dieser einzigartig kompakte Elektromotor ohne Magnete ist ein eindrucksvoller Beleg für unsere Strategie, E-Antriebe vor allem durch Effizienzsteigerungen ressourcenschonender und nachhaltiger zu machen“, sagt Stephan von Schuckmann. Er verantwortet im ZF-Vorstand die elektrifizierten Antriebslösungen. In Zahlen ausgedrückt, bedeutet ressourcenschonender, dass ZF beim I2SM den CO2-Footprint in der Produktion massiv senkt: um bis zu 50 Prozent im Vergleich zum klassischen E-Motor mit Seltenerdmagneten. Dies ist nur ein Beispiel für die Anstrengungen und die damit verbundenen Investitionen des Technologiekonzerns in nachhaltige technische Lösungen, um die Mobilität klimafreundlicher zu gestalten.

Sustainability@ZF