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KI: Auf dem Vormarsch in China

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Tags: AutonomesFahren, Märkte, KünstlicheIntelligenz
China wird zum globalen Leitmarkt für Künstliche Intelligenz. ZF ergreift diese Chance: Innovationen des Unternehmens werden von lokalen Herstellern genutzt – und prägen so den Mobilitätssektor weltweit.
Lars Weitbrecht, 18. Mai 2021
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Lars Weitbrecht kommt ursprünglich aus der Musik- und Gamingbranche, hält aber neben Gamepad und Gitarre auch gerne Stift und Lenkrad in der Hand.
Der Roboterarm holt aus. Kein Zögern stoppt die Bahn seiner Bewegung. Wie eine gespannte Feder schnalzt das Metall nach oben und nach vorne. Ein Basketball fliegt mit hoher Geschwindigkeit durch das Fernsehstudio und steuert präzise Richtung Korb. Unter dem Jubel der Zuschauer versinkt er darin.

In der chinesischen Fernsehshow 机智过人(auf Deutsch sinngemäß „Mensch vs. KI“) behaupten sich menschliche Teilnehmer gegen Supercomputer in einer Reihe von Spielen. Meist gewinnt der Computer.
Tanzende Zwillinge identifizieren, Ballsport betreiben oder wett-dolmetschen: Künstliche Intelligenz wird im Fernsehen wie selbstverständlich für Späße genutzt. Das beweist, wie stark die Technologie bereits in der chinesischen Gesellschaft verankert ist: Begeisterung für Künstliche Intelligenz ist im Reich der Mitte geradezu Programm.
„In China gibt es einen nahezu unstillbaren Durst nach Fortschritt, und zwar in allen Bevölkerungsschichten“, erklärt Jeffrey Rochette, Entwicklungsleiter bei ZF China. „Es ist faszinierend zu sehen, wie rasch hier aus Ideen serienfähige Produkte werden.“ Der davon geprägte Innovationsgeist und das hohe Tempo machen chinesische Unternehmen zu wertvollen Partnern. „Die Chancen, die sich unserem Konzern hier bieten, sind gigantisch“, resümiert Dr. Holger Klein, der als ZF-Vorstandsmitglied seit 2018 von Shanghai aus das Asien-Pazifik-Geschäft des Konzerns verantwortet.
„In China gibt es einen nahezu unstillbaren Durst nach Fortschritt in allen Bevölkerungsschichten.“
Jeffrey Rochette, Entwicklungsleiter ZF China

Ein Markt wie kein zweiter

Ein Markt wie kein zweiter

Ein Grund für Kleins Einschätzung: China will 2030 zum Weltmarktführer in Künstlicher Intelligenz aufsteigen und damit die USA überholen, die in diesem Bereich heute noch die Nase vorn haben.
Die Motivation liegt vor allem im Marktpotenzial. Lag der globale Umsatz von KI-Hardware, -software und darauf basierenden Services im Jahr 2019 noch bei 39.9 Milliarden US-Dollar, wird er dieses Jahr auf über 327 Milliarden wachsen. Aktuellen Prognosen zufolge wird spätestens 2024 die magische 500-Milliarden-Marke geknackt.
Anwender für KI ist vor allem der lokale Mobilitätssektor: Bis zum Jahr 2025 will die Regierung mithilfe intelligenter, vernetzter Fahrzeuge die Unfallrate um 30 Prozent und Emissionen um 20 Prozent senken, heißt es in Chinas größter englischsprachiger Zeitung „China Daily“.
Das Faible, das hier viele Käufer für neueste Technologie haben, befeuert diesen Trend ebenfalls: Schon 2018 ermittelten Umfragen, dass sich 75 Prozent der chinesischen Konsumenten für ein autonomes Fahrzeug interessieren. Mehr noch: 93 Prozent der Befragten würden dafür auch tiefer in die Tasche greifen. Zum Vergleich: In Deutschland sind es gerade mal 40 bzw. 59 Prozent.

Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen weltweit

ZF in China: Strategisch gut aufgestellt

ZF in China: Strategisch gut aufgestellt

Riesiges Marktvolumen, faszinierte Konsumenten, staatliche Unterstützung: China befindet sich auf einem guten Weg, zum Leitmarkt für KI-basierte Anwendungen zu werden. Als führender Technologiekonzern ist ZF ist bestens aufgestellt, um diese Entwicklung zu unterstützen und davon zu profitieren. Nicht umsonst baut das Unternehmen seine Position im Land seit Jahrzehnten strategisch aus.
„Seit unserem Markteinstieg vor rund 40 Jahren hat sich der Ansatz des Konzerns gewandelt: Von ’in China verkaufen’ zu ’in China entwickeln’“, erklärt Dr. Klein. „Mittlerweile führen wir bereits einige globale Aktivitäten von China aus“. Die Engineering-Kompetenz dafür hat der Konzern längst aufgebaut: Drei Entwicklungszentren unterhält ZF in China, ein neues Asien-Hauptquartier eröffnet noch dieses Jahr in Shanghai.
Partner und Kunden für das Geschäft mit KI hat der Konzern vor Ort bereits oder findet sie noch. Baidu beispielsweise, dessen Suchmaschine 70 Prozent aller Anfragen im Land stemmt, hat mit ZF eine Lösung für autonomes Parken entwickelt. Unabhängig von ZF arbeitet Alibaba, das fernöstliche Pendant zu Amazon, an einer Flotte selbstfahrender Taxis. Wenn es darum geht, KI-basierte Systeme in Automotive-Anwendungen zu bringen, hat ZF dem Markt schon heute einiges zu bieten.

KI-basierte Technologien von ZF für den chinesischen Mobilitätssektor

KI-basierte Technologien von ZF für den chinesischen Mobilitätssektor

Erst kürzlich stellte der Konzern mit der ZF ProAI den flexibelsten, skalierbarsten und leistungsfähigsten Automotive-Supercomputer vor. Mit beeindruckender Rechenpower ist das Steuergerät die ideale Plattform, um KI im Automobil ein Zuhause zu geben. Nur so können die Algorithmen in Echtzeit eintreffende Sensordaten analysieren und Handlungsanweisungen daraus ableiten. Die Computerleistung wird perfekt ergänzt durch einen einzigartigen modularen Ansatz. Dadurch können OEM auf jeweils passgenaue Lösungen für alle Fahrzeugarten und Modellplattformen zugreifen. Der erste Auftrag erfolgte bereits, das Steuergerät geht 2024 in Serie.
Die ZF ProAI kann dabei alle Level des autonomen Fahrens bedienen, bis hin zu Level 5. Aber es muss nicht gleich „der volle Ausschlag“ auf der KI-Skala sein. Schon ein weniger komplexes System kann einen echten Mehrwert für Verbraucher bieten. Der „coASSIST“ von ZF feierte Ende 2020 im Modell Aeolus Yixuan von Dongfeng Premiere. Das ZF-Produkt bietet Level 2+-Funktionen und Fahrern bedeutende Komfort- und Sicherheitsvorteile zu einem erschwinglichen Preis. Auch das ist wichtig für den Erfolg im Markt sowie den Erfolg des chinesischen Markts selbst. Denn wenn mehr Verbraucher die Vorteile von KI-basierten Lösungen selbst erleben können, steigt die Nachfrage nach leistungsfähigeren Systemen, was wiederum die Entwicklung dieser Systeme antreibt.
Aber nicht nur Pkw profitieren von KI. Auch die boomende Logistik-Branche in China hat Bedarf an der Technologie und an den Innovationen, die ZF für Nutzfahrzeuge bereitstellt. „Wir werden in diesem Segment vermutlich zuerst eine breite Nutzung von automatisierten Fahrfunktionen sehen, weil die üblichen Szenarien – lange Fahrten auf breiten Schnellstraßen oder abseits der Hauptverkehrszeiten – mit den derzeitigen technischen und wirtschaftlichen Mitteln einfacher umzusetzen sind“, so Dr. Klein.
Jüngstes Beispiel ist der autonome Notbrems-Assistent „OnGuardMAX“, der dieses Jahr seinen Weg in die Serienproduktion findet. Das Produkt, das ZF für Nutzfahrzeuge entwickelt hat, wird in neue Modelle zweier führender chinesischer Hersteller eingebaut. OnGuardMAX erkennt, bewertet und reagiert selbstständig auf Hindernisse wie Fahrzeuge, Motorräder, Fahrräder und Fußgänger. Das sorgt im Logistik-Alltag für ein beachtliches Sicherheits-Plus.

In China entwickeln für weltweiten Erfolg

In China entwickeln für weltweiten Erfolg

OnGuardMAX und coASSIST sind zudem Beispiele, wie innovative Systeme von ZF zuerst in China ihren Marktstart erlebten. Diese Vorgehensweise ist eine Blaupause für die Zukunft „Durch unsere Investitionen vor Ort gestalten wir die Zukunft der Mobilität weltweit mit. Und derzeit ist nichts so aufregend wie die Möglichkeiten, die uns die Künstliche Intelligenz bietet“, betont Dr. Klein. Keine Fernsehunterhaltung, sondern Technik für den Alltag – für mehr Effizienz, Sicherheit und Nachhaltigkeit im Automobilsektor.

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