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CeTrax lite CeTrax lite

Dezentral zum Zentralantrieb

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Schwierige Begleitumstände kennzeichneten die Vorbereitungen zum Serienstart von CeTrax lite, dem E-Antriebssystem für leichte Nutzfahrzeuge. Der Schlüssel zum Erfolg: das europäisch-japanische ZF-Team. Hier die Hintergründe.
Frank Thoma,
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Frank Thoma arbeitet seit dem Jahr 2011 als Corporate Editor bei ZF. Der Diplom-Journalist plant, produziert und redigiert Beiträge für alle internen und externen Medien des Konzerns.
Da behaupte noch jemand, die Geschichte wiederholt sich nicht. Bereits die 1920er Jahre waren gerade in Deutschland geprägt von einem erstaunlich großen Angebot an elektrischen Lastwagen – mit inzwischen längst verblassten Namen: BEF, Bergmann, Bleichert, Hercules, Siemens-Schuckert oder Scheele sind nur einige davon. Schon damals zählten Lebensmittel- und Getränkehändler zu den wichtigen Abnehmern dieser E-Nutzfahrzeuge. Erdölfunde, die rasch zunehmende Ölverarbeitung sowie größere Reichweiten des Verbrennungsmotor ließen den E-Laster in den kommenden Jahrzehnten in einen Dornröschenschlaf fallen.

Emissionsfreier Problemlöser

Emissionsfreier Problemlöser

Heute, ein Jahrhundert später, startet ZF die Serienfertigung seines elektrischen Antriebsstrangs für leichte elektrische Nutzfahrzeuge, darunter für die des japanischen Nutzfahrzeugherstellers Isuzu. Die Vorgeschichte dazu begann im Jahr 2019. Damals präsentierte das ZF Japan Technology Center einen Prototyp-Lkw mit dem neuen elektrischen Zentralantrieb CeTrax lite, speziell für den japanischen Markt.
„CeTrax lite ist der nächste wichtige Meilenstein in unserer Elektrifizierungsstrategie.“ 
Andreas Grossl, verantwortlich für das Produktsegment E-Antriebe für Nutzfahrzeuge bei ZF

Eine E-Maschine mit 150 Kilowatt Spitzenleistung trieb den Demo-Truck mit einem Gesamtgewicht von fünf Tonnen und einer Nutzlast von zwei Tonnen an. Diese leichten Lkw sind in japanischen Städten weit verbreitet im Lieferverkehr: ideal, um die rund um die Uhr geöffneten Läden in Wohngebieten am frühen Morgen und am späten Abend zu beliefern. Dazu kommen häufige Stop-and-Go-Fahrten zum Nachfüllen von Getränkeautomaten sowie für Paketzustellungen. Dank CeTrax lite erfolgt dies künftig flüsterleise und lokal emissionsfrei. „Mit dem Aufbau eines Demo-Fahrzeugs gehen wir als ZF immer in Vorleistung. Umso mehr freut es uns, wenn sich aus so einem zarten Pflänzchen eine Serie sogar für den Weltmarkt entwickelt“, sagt Dr. Andreas Grossl und ergänzt: „CeTrax lite ist der nächste wichtige Meilenstein in unserer Elektrifizierungsstrategie.“ Grossl verantwortet im Konzern das Produktsegment E-Antriebe für Nutzfahrzeuge.

Von Friedrichshafen aus in die Welt

Von Friedrichshafen aus in die Welt

Im März 2023 begann im Friedrichshafener Werk 2 der Serienhochlauf des zwischenzeitlich weiterentwickelten CeTrax lite. Die Montagelinie ist in Halle 9 eingerichtet, Kolleginnen und Kollegen trainieren und optimieren hier bereits seit Jahresbeginn sämtliche Abläufe. Hier werden pro Jahr die CeTrax-lite-Antriebe im unteren fünfstelligen Bereich im 2-Schicht-Betrieb entstehen. In diesem Jahr sind die produzierten Antriebssysteme ausschließlich für den japanischen Markt bestimmt, von 2024 an erweitert sich der Abnehmerkreis um den europäischen und US-amerikanischen Markt.
Einbau von Stator und Rotor ins Gehäuse der elektrischen Maschine

Seit den Fahrten des Demo-Trucks im japanischen Yokohama vor vier Jahren hat sich hinter den Kulissen viel getan. Beginnen wir mit der Antriebstechnik. Zwar bildet auch in der Serie ein bewährter Pkw-Elektromotor mit 150 kW Spitzenleistung die technische Basis, jedoch wurde dessen Dauerleistung von etwa 70 kW auf 85 kW erhöht. Möglich wurde dies vor allem durch eine weiterentwickelte Ölkühlung. Auch veränderten die Ingenieure den Radsatz beim Reduziergetriebe. Sämtliche konstruktive Änderungen zielten darauf ab, Zuverlässigkeit und Lebensdauer des Antriebsstranges zu erhöhen
CeTrax Lite

Erfassen von Daten via Scanner als letzter Arbeitsschritt nach der Montage bei der sogenannten End-of-Line-Prüfung.

CeTrax lite: ein europäisches Produkt

CeTrax lite: ein europäisches Produkt

Bei den Komponenten von CeTrax lite profitiert der Kunde von den unterschiedlichen Kompetenzen innerhalb des ZF-Konzerns sowie vom Ansatz „Alles aus einer Hand“. Die Komponenten des elektrischen Antriebssystems kommen aus den deutschen ZF-Standorten Friedrichshafen und Schweinfurt, aus dem serbischen Pančevo sowie aus dem tschechischen Klášterec. Das Ganze landet – perfekt aufeinander abgestimmt – im kompakten Druckgussgehäuse, das in Friedrichshafen seinen Feinschliff erhält.

Weitere Anwendungen im Visier

Weitere Anwendungen im Visier

Ideal ist das elektrische Antriebssystem jedoch nicht nur für den Einsatz in neu entwickelten leichten Lkw. Momentan gibt es auch technische Diskussionen mit indischen Kunden, etwa für den Einsatz in Bussen. Ebenfalls denkbar ist CeTrax lite als Antrieb in Flugzeugschleppern für kleinere Maschinen. Hier werden demnächst Versuche mit einem Prototypenfahrzeug laufen.
"CeTrax lite schafft Synergien und belebt unser Geschäft."
Alexander Maier, Gesamtprojektleiter CeTrax lite bei ZF

Da CeTrax lite sich aufgrund seiner kompakten Bauweise in bestehende Plattformen für konventionelle Antriebsstränge sehr gut integrieren lässt, ist der E-Antrieb auch fürs Retrofit-Geschäft interessant: Dabei wird der vorhandene Verbrenner durch die E-Maschine ersetzt. „Diese Beispiele zeigen, dass wir sehr daran interessiert sind, CeTrax lite nicht nur für einen bestimmten Kunden zu individualisieren, sondern das System jenseits des klassischen Einsatzes in leichten Trucks branchenübergreifend einzusetzen. Das schafft Synergien und belebt unser Geschäft“, sagt Alexander Maier, Gesamtprojektleiter CeTrax lite.

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