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KI in Serie

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Tags: AutonomesFahren
Mit starken Partnern und künstlicher Intelligenz zum autonomen Fahren: ZF bringt mit dem chinesischen Tech-Unternehmen Baidu Testfahrzeuge auf die Straße.
Friederike Pater, 24. Juli 2018
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Friederike Pater ist studierte Journalistin und schreibt – nicht nur über die automobilen – Tech-Trends von morgen. Auf ihren Reisen sammelt sie Eindrücke aus aller Welt und lässt sich zu neuen Geschichten inspirieren.
Große chinesische Konzerne arbeiten mit Hochdruck an den Technologien von morgen. Ein Fokusthema ist dabei die künstliche Intelligenz (KI). Das chinesische Technologie-Unternehmen Baidu und ZF treiben gemeinsam die Entwicklung autonomer Fahrkonzepte voran.

Vier Fakten über China

Langsam, aber beharrlich bahnt sich das Taxi im Stop-and-go-Verkehr seinen Weg durch das Gewirr aus Autos, Mopeds und Bussen. Der Taxifahrer nimmt das Chaos gelassen. An der roten Ampel verschickt er rasch einige Nachrichten mit seinem Smartphone. Auf seinem Display erscheint ein lachendes Mädchen, das winkt. Noch bevor die Ampel auf Grün springt, winkt der Fahrer seiner Tochter zurück und gibt in seinem E-Taxi geräuschlos Gas.
Während das Taxi kilometerlang an Werkhallen und gigantischen Lagerhäusern vorbeifährt, fällt es schwer zu glauben, dass die Stadt Shenzhen vor gerade einmal 40 Jahren noch ein verschlafenes Fischerdorf vor den Toren Hongkongs war. Heute prägen gläserne Wolkenkratzer das Stadtbild, die sich durch eine Schicht aus Smog in den Himmel bohren. An ihren Fassaden prangen die Namen chinesischer Technologie-Giganten: Huawei, Tencent, ZTE, Dingoo.

Alte Mofas und smarte Roboter

Alte Mofas und smarte Roboter

Keine andere Stadt zeigt Chinas digitale Evolution so deutlich wie Shenzhen. Sie ist über Nacht zum Herzen der nationalen Digitalisierung geworden und bringt technologische Innovationen in einem atemberaubenden Tempo hervor. In Shenzhen, im Chaos aus greller Leuchtreklame, überladenen Mofas und bunten Verkaufsständen, treffen zwei Welten aufeinander und bilden ein besonderes Ökosystem. Während im Inneren der Geschäftstürme die klügsten Köpfe aus aller Welt am superschnellen 5G-Netz, an smarten Robotern und am autonomen Fahren arbeiten, herrscht draußen in den Straßen das gewohnt hektische Treiben einer chinesischen Metropole.

Partner ermöglichen Insider-Blick in den Markt

Partner ermöglichen Insider-Blick in den Markt

ZF ist bereits Teil dieses einzigartigen Ökosystems. „In China ticken die Uhren anders; man will immer schneller, höher, weiter“, erklärt Qi Ping, Entwicklungsleiter bei ZF China. „Es ist faszinierend zu sehen, wie rasch hier aus Ideen serienfähige Produkte werden.“ Der Innovationsgeist, das hohe Tempo, der unstillbare Durst nach Fortschritt machen chinesische Unternehmen zu wertvollen Partnern. „Durch die Zusammenarbeit mit Technologieführern wie Baidu oder Automobilherstellern wie Chery erhalten wir tiefe Einblicke in den Markt, der künftig die weltweite Wirtschaft bestimmen wird. China könnte bald der wichtigste Markt für uns sein – darauf sind wir gut vorbereitet“, sagt Qi.

Künstliche Intelligenz mit starkem Wachstum

Künstliche Intelligenz mit starkem Wachstum

Eine Technologie beschäftigt die Entwickler in Shenzhen und ganz China derzeit besonders. Sie ist so wichtig, dass sie sogar im staatlichen Fünfjahresplan eine entscheidende Rolle spielt: die künstliche Intelligenz (KI). Die chinesische Regierung ist sich sicher, dass die KI die Zukunft prägen wird.
Eine aktuelle Studie des Marktforschungsunternehmens Gartner stützt diese Annahme mit Zahlen: Die Analysten von Gartner beziffern den weltweiten Geschäftswert aus künstlicher Intelligenz im Jahr 2018 mit 1,2 Billionen US-Dollar, ein Plus von 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Innerhalb der nächsten vier Jahre steigt der Wert voraussichtlich auf 3,9 Billionen US-Dollar an, so die Prognose.

Künstliche Intelligenz: Schlauer als der Mensch?

Künstliche Intelligenz ist ein Buzzword und Trendthema. Aber was bedeutet KI eigentlich? Was kann sie heute und was in Zukunft leisten? Ein Überblick.

Riesige Datenmengen bilden idealen Nährboden

Riesige Datenmengen bilden idealen Nährboden

Zwar gelten die USA als Geburtsstätte der künstlichen Intelligenz, doch inzwischen hat sich ein weiteres Epizentrum entwickelt, und zwar ein sehr aktives: China will bis zum Jahr 2025 zu Nordamerika aufschließen und bereits fünf Jahre später Marktführer sein. Das ist keine bloße Absichtserklärung, sondern Vorgabe der Regierung. Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC zeigt in einer Studie auf, welch hohen Stellenwert KI in der chinesischen Wirtschaft einnehmen wird. Die PwC-Experten rechnen damit, dass das Bruttoinlandsprodukt in China bis 2030 allein durch künstliche Intelligenz um mehr als ein Viertel, das entspricht sieben Billionen US-Dollar, ansteigen wird. Zum Vergleich: Für Nordamerika prognostiziert PwC einen BIP-Anstieg von circa 15 Prozent, um 3,7 Billionen US-Dollar.
Doch nicht nur die staatlichen Subventionen und gesetzlichen Regulierungen treiben die Entwicklung der KI voran. Auch ist in China aufgrund der hohen Bevölkerungszahl ein gigantischer Datenvorrat vorhanden. Diese Daten treiben den Motor künstliche Intelligenz konsequent an. Dazu kommt, dass im Land ein geballtes Wissen zur Digitalisierung vorhanden ist.

Technologie-Giganten forschen in eigenen KI-Laboren

Technologie-Giganten forschen in eigenen KI-Laboren

„Künstliche Intelligenz fasziniert mich, denn sie lässt sich in so vielen Bereichen des Lebens einsetzen und kann es an vielen Stellen verbessern. Nicht zuletzt bietet sie auch Lösungen für die Mobilität von morgen“, erklärt Dr. Xing Yuan, General Manager Series Production and Commercialization bei Baidu. „Unser erklärtes Ziel ist es, die KI-Technologie voranzutreiben und alltagstauglich zu machen.“
Baidu ist seit 2017 Kooperationspartner von ZF und zählt neben Alibaba und Tencent zu den drei großen „BAT“-Unternehmen. Das BAT-Triumvirat bildet in China eine Art digitales Paralleluniversum. Baidu, ursprünglich Entwickler und Betreiber einer Suchmaschine, ist das chinesische Pendant zu Google und Wikipedia. Heute ist Baidu zudem der führende Anbieter hochauflösender Karten. Der Online-Händler Taobao entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit von einer Art chinesischem E-Bay zu einem Amazon-ähnlichen E-Commerce-Riesen. Tencent dominiert mit WeChat die Messenger-Dienste und zudem den Gaming-Sektor. Alle drei Unternehmen haben inzwischen eigene „AI Labs“, in denen sie künstliche Intelligenz erforschen.
3,9 Billionen
US-Dollar.
Das ist der globale Wert, auf den nach Einschätzung des Marktforschungsunternehmens Gartner der KI-Geschäftswert voraussichtlich ansteigen wird.

Fokus auf die KI im Automobileinsatz

Fokus auf die KI im Automobileinsatz

Inzwischen ist China ein Vorreiter für alternative Mobilitätskonzepte, wie der anhaltende E-Mobilität-Boom zeigt. Nun setzt die Regierung in Peking auch für den nächsten großen Umbruch in der Automobilindustrie ambitionierte Ziele: Die Standards für die autonom fahrenden Autos der Zukunft sollen aus dem eigenen Land kommen. Bis zum Jahr 2025 will die Regierung mithilfe intelligenter, vernetzter Fahrzeuge die Unfallrate um 30 Prozent und Emissionen um 20 Prozent senken, heißt es in Chinas größter englischsprachiger Zeitung „China Daily“. Die Höchstgeschwindigkeit für autonome Autos soll dann bereits bei 120 km/h liegen.
„KI ist der Game Changer und autonomes Fahren ist die Zukunft des Verkehrs. Da wollen wir von Anfang an dabei sein“, erklärt Xing Yuan die Transformation Baidus zum KI-Konzern. „Autonomes Fahren ist die perfekte Herausforderung, wenn es um den Einsatz künstlicher Intelligenz geht. Daher fokussieren wir uns stark auf den Einsatz der Technologie im Automobilbereich. Hier geht es darum, die KI für die Serienproduktion zu kommerzialisieren.“

Auf gemeinsamer Mission

Auf gemeinsamer Mission

Mit seinen hochauflösenden Karten leistet Baidu bereits einen entscheidenden Beitrag für autonomes Fahren. Modernste Sensorik in speziellen Fahrzeugen erfasst die weltweiten Straßennetze und liefert so die Daten für HD Maps. Es entsteht ein Abbild der Wirklichkeit der Straßen und ihrer näheren Umgebung. Allerdings lässt sich so nicht die gesamte Verkehrsinfrastruktur täglich aktualisieren.
Um weiterzukommen, schloss Baidu eine Allianz. „Durch die Zusammenarbeit eines Digitalisierungskonzerns wie Baidu mit einem etablierten Automobilzulieferer wie ZF vereinen sich die Stärken beider, und zwar zum Wohle des Kunden“, erklärt Dr. Xing Yuan und ergänzt: „ZF ist für uns der perfekte Partner, der mit dem Supercomputer ZF ProAI ein exzellentes Produkt hat.“
Die ZF ProAI ist ein KI-fähiger Fahrzeugcomputer, der sich je nach Einsatzzweck, verfügbarer Hardware-Ausstattung und gewünschtem Automatisierungsgrad unterschiedlich konfigurieren lässt. Die ZF ProAI ist das erste Projekt aus einer im Jahr 2017 geschlossenen weiteren Kooperation mit dem Software-Konzern NVIDIA.

Hochpräzise und topaktuell

Vom Baum bis zur Brücke – fürs autonome Fahren müssen hochauflösende Karten einen Fingerabdruck der Straßen abbilden. Doch wie lassen sich alle Wegenetze weltweit erfassen?

Testbetrieb im Sicherheitsmodus

Testbetrieb im Sicherheitsmodus

Elektrofahrzeuge des chinesischen Carsharing-Betreibers Pand Auto sind bereits mit der ZF-Baidu-Technologie im Testbetrieb unterwegs. Auch einige Autohersteller haben Anfang des Jahres bereits Lizenzen für die Durchführung von Straßentest mit autonomen Fahrzeugen in ausgewiesenen Gebieten von Shanghai und Peking erwerben können. Auch Shenzhen hat sich angeschlossen. Die Unternehmen müssen sich jedoch strikt an die lokalen Richtlinien der Städte halten. Shenzhen gibt beispielsweise vor, dass bei autonomen Testfahrten immer ein Fahrer und eine weitere Sicherheitsperson an Bord sein müssen. Vorläufig ist man im chinesischen Verkehrschaos also weiterhin auf die Wachsamkeit und Gelassenheit des Taxifahrers angewiesen.

In Kürze: China ist ein Meister der Digitalisierung. Mit Hochdruck arbeiten dessen große Technologie-Unternehmen an Zukunftsthemen und treiben Innovationen rasch voran. Besonders im Fokus: die künstliche Intelligenz, vor allem beim autonomen Fahren. Mit dabei ist der chinesische Technologie-Gigant Baidu. ZF hat sich mit Baidu zusammengetan, um die Entwicklung autonomer Fahrkonzepte voranzutreiben. Dies passierte im September 2017 mit dem von Baidu gestarteten „Project Apollo“, eine offene Entwicklungsplattform, auf der sich schnell Systeme zum autonomen Fahren aufbauen lassen.