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Nation unter Strom

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Tags: Elektromobilität
Seit Jahren sammelt Norwegen schon Erfahrungen mit Elektrofahrzeugen im grossen Stil. Wie funktioniert E-Mobility in dem nordeuropäischen Land, was lässt sich auf andere Länder übertragen? Eine Einschätzung.
Erik Figenbaum , 03. Juli 2018
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Erik Figenbaum ist Forscher am norwegischen Institute for Transport Economics (TØI) in Oslo, einer unabhängigen und privaten Forschungseinrichtung auf Basis einer Stiftung.
Norwegen ist weltweit führend beim Einsatz von Elektrofahrzeugen pro Kopf. Mehr als acht Prozent der Fahrzeuge in der Flotte sind extern nachladbar. Zwei Drittel davon sind reine E-Mobile, der Rest sind Plug-in-Hybride. Die Regierung unterstützt besonders den Markt der reinen E-Fahrzeuge seit den 1990er Jahren durch Befreiungen von der Umsatzsteuer beim Kauf sowie durch den Entfall von Maut- und Parkgebühren. Auch dürfen norwegische Fahrer von Elektromobilen die Busspuren benutzen.

Die umfangreichen Steuerbefreiungen machen die Elektromobile bis heute zu den billigsten Fahrzeugen, und dieser Vorteil zeigt sich direkt im Verkaufspreis. Hauptkäufer sind Familien mit mehreren Fahrzeugen. Üblicherweise parken und laden sie ihr E-Mobil auf dem eigenen Grundstück und verwenden ihr Auto mit konventionellem Antrieb für lange Strecken. Gelingt es auch in anderen Ländern, die genannte Zielgruppe mit Anreizen zu erreichen, wird dies auch dort die Nachfrage von E-Fahrzeugen kräftig ankurbeln.

Norwegen verfügt noch über weitere günstige Voraussetzungen: Diesel ist teuer und Strom billig. Letzterer stammt zu 98 Prozent aus Wasserkraft, so dass der Emissionsvorteil riesig ist. Dieser Vorteil besteht grundsätzlich auch auf EU-Ebene, da die Stromerzeugung ein Bestandteil des Emissionshandelssystems der EU ist, nicht jedoch der Verkehr. Auch senken niedrige Autobahngeschwindigkeiten in Norwegen den Energieverbrauch und erhöhen die Reichweite von E-Fahrzeugen. Norwegens Stromnetz ist robust genug, um die E-Flotte zu laden, da im Land auch mit Strom geheizt wird.Länder mit weniger belastbaren Netzen brauchen Strategien, um die durch das Laden verursachten Stromspitzen abzufedern. Immerhin 94 Prozent der norwegischen E-Fahrzeugbesitzer laden zu Hause. Das genügt ihnen, da sie nur im Nahverkehr unterwegs sind.

Es ist teuer, eine Schnelllade-Infrastruktur zu betreiben, die alle Anforderungen für Langstreckenfahrten erfüllt – und das auch zu Spitzenzeiten. Zwar installiert die Stadtverwaltung von Oslo Ladesäulen in Parkhäusern und auf Straßen, hat aber Probleme, mit der Nachfrage Schritt zu halten. Andere Mobilitätskonzepte könnten gerade in Innenstädten hier unterstützen. Als unproblematisch hat sich die Batterielebensdauer erwiesen, vielleicht weil die Sommer hier nicht so warm sind. Bei nachlassender Kapazität werden E-Mobile voraussichtlich von weniger anspruchsvollen Nutzern bis zum Ende der Fahrzeuglebensdauer eingesetzt. Anschließend wandern die alten Batterien ins Recycling. Eine Abwrackprämie in Höhe von 300 Euro unterstützt das Recycling.

Das Land am Polarkreis hat bewiesen, dass sich E-Mobile in einem Massenmarkt verkaufen lassen und dass diese problemlos in Haushalte mit mehr als einem Fahrzeug zu integrieren sind. Die genannten Maßnahmen übten einen starken Bottom-up-Anreiz auf den Markt aus, während sich die Regierungen in Ländern wie Deutschland mehr auf eine Politik konzentrieren, die einem Top-down-Ansatz folgt. Der im letzten Jahr eingeführte Bonus für deutsche E-Fahrzeugkäufer war wohl weniger effektiv als erwartet und muss möglicherweise erhöht werden, um zu wirken.