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2019

#ZFexperts

Klein – aber oho!

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Tags: Heritage
Janine Vogler, 05. Dezember 2019
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Janine Vogler Oldtimer liegen der gelernten Journalistin besonders in der Verbindung mit ZF-Produkten am Herzen. Privat ist sie lieber mit Hund in der Natur oder Motorrad unterwegs.
DKW war als Marke der Auto Union AG vor dem Krieg mit Kleinwagen groß geworden. In der Nachkriegszeit fehlte im Programm ein Fahrzeug vom Schlag der Reichs- oder Meisterklasse, mit dem die Auto Union an den guten Ruf des Vorkriegs-DKW anknüpfen konnte. Der zählte 1939 - neben Opel - zu den beliebtesten und meistverkauften deutschen Kleinwagen. Der Großauftrag von Auto Union trug auch für ZF entscheidend zur Entwicklung des Unternehmens bei.

Einen Freilauf gab es nicht; bei der exzellenten Laufkultur des Motors wurde er auch nicht vermisst.

Einen Freilauf gab es nicht; bei der exzellenten Laufkultur des Motors wurde er auch nicht vermisst.

Zum Bau des „Moppel“, so die Projektbezeichnung, kam es jedoch nie. Die PKW-Entwicklung griff die Idee auf und entwarf einen vierrädrigen, dreisitzigen Kleinstwagen mit Mittellenkung. Die Karosserie sollte aus neuartigem glasfaserverstärktem Kunststoff hergestellt werden. DKW-Händler, denen der Winzling vorgestellt worden war, winkten ab, und die Arbeiten am Projekt STM II wurden eingestellt. Der Dreisitzer mutierte zum Viersitzer mit luftgekühltem, längs eingebautem Zweizylinder-Zweitaktmotor, Frontantrieb, drehstabgefederten Achsen und Kunststoffaufbau. Die Ergebnisse mehrerer Crashtests mit dem jetzt STM III genannten Wagen und der Weggang des Entwicklungschefs Robert Eberan von Eberhorst bewogen im Herbst 1956 die Auto-Union-Geschäftsleitung dazu, das Kunststoff-Kleinwagenprojekt ganz einzustellen. In fünf Jahren war die Auto Union der Vorstellung, einen „kleinen DKW“ zu schaffen, trotz aller Bemühungen keinen Schritt näher gekommen.
Der DKW 600 wurde von einem wassergekühlten Zweizylinder-Zweitaktmotor angetrieben, die Leistungsangabe: 30 PS bei 4.200 U/min. Der längs eingebaute Motor trieb über ein Vierganggetriebe mit Freilauf und innenliegenden Trommelbremsen die Vorderräder an. Vorder- und Hinterachse waren drehstabgefedert, an der Vorderachse übernahmen zwei Dreieckslenker die Radführung. Die Hinterachse war eine leichte, geschlitzte, von zwei Hinterradschwingen geführte Rohrachse. Der hintere Drehstab lag geschützt im Rahmenquerrohr. Der auf der IAA ausgestellte Prototyp war in vieler Hinsicht noch nicht fertig. Mit der Übernahme der Auto Union GmbH im März 1958 kümmerten sich auch Techniker der neuen Muttergesellschaft Daimler-Benz AG darum, den Kleinwagen produktionsreif zu machen. Die Karosserie wurde an vielen Stellen fertigungstechnisch vereinfacht, und den Zweizylindermotor, dem der Ruch des Ärmlichen anhaftete, ersetzten die Techniker durch einen neu konstruierten wassergekühlten Dreizylinder-Zweitakt-Reihenmotor mit Umkehrspülung.
Die Kraftübertragung leistete eine Einscheiben-Trockenkupplung 180 mm von F&S und auf Wunsch die automatische Kupplung Saxomat.
Das Hauptproblem lag jedoch in der fehlenden Fertigungskapazität. Das Werk Düsseldorf war mit der Herstellung der diversen 3=6- und 1000er-Modelle bis an seine Grenzen ausgelastet; in den Ingolstädter „Hüttenwerken“ ließ sich eine rationelle Großserienproduktion nicht einrichten. Im April 1958 fiel schließlich die Entscheidung, auf einem Gelände außerhalb der Ingolstädter Innenstadt ein neues Automobilwerk zu errichten. Mit ein Grund für diese Entscheidung war der vorhandene Facharbeiterstamm, der durch die zurückgehende Zweirad- und Schnelllasterproduktion für neue Aufgaben zur Verfügung stand. Im Juli 1958 erfolgte der erste Spatenstich, und 13 Monate später rollte der erste DKW Junior mit ZF-Getriebe vom Band. Der Junior 750 wurde von Juli 1959 bis Dezember 1962 mit einer Stückzahl von 118.986 produziert - insgesamt rollten bei dem Großauftrag mit der Weiterentwicklung Junior de Luxe in den nächsten vier Jahren über 340000 Getriebe vom Band.
Im September 1959, zwei Jahre nach der Präsentation des Prototyps, stand der DKW Junior im Rampenlicht auf der Frankfurter IAA. Die wichtigste Änderung gegenüber dem DKW 600 war der neu entwickelte 750 ccm-Dreizylinder-Zweitaktmotor. Das turbinenähnlich leise Aggregat leistete 34 PS bei 4300 U/min. und trieb über das vollsynchronisierte Vierganggetriebe 4DS6-3 von ZF die Vorderräder an. Einen Freilauf gab es nicht; bei der exzellenten Laufkultur des Motors wurde er auch nicht vermisst. Die Bremstrommeln waren innen am Getriebe angebracht und dienten auch als Feststellbremse. Die Gelenkwellen trugen getriebeseitig ein Kreuzgelenk mit Schiebestück, radseitig Rzeppa-Gleichlaufgelenke. Diese Konstruktion neigte unter Last zum Schütteln, was durch unterschiedliche Schmierstoffe und Füllmengen des Schiebestücks nur zum Teil abgestellt werden konnte. Davon abgesehen, gab es an Antrieb und Fahrwerk des Junior 750 – der intern die Bezeichnung DKW F 11/60 trug – nichts auszusetzen. Der Wagen war ausgesprochen fahrsicher und riss die Tester zu wahren Begeisterungsstürmen hin.
Die Ausstattung war in manchen Dingen zu mager geraten - vor allem an den Gummischlaufen zum Zuziehen der Türen, der fehlenden Tankanzeige, der nicht verschließbaren Motorhaube und dem unglücklich positionierten Schalthebel stießen sich viele Kritiker. Manches konnte schnell abgestellt werden, so wurde bereits im Oktober 1959 eine Tankanzeige an Stelle der einfachen Warnlampe eingebaut, anderes ließ sich nicht ändern.
Ab März 1960 war der Junior mit werksseitig eingebautem Webasto-Schiebedach erhältlich, ab April 1960 gab es die vom 1000er bekannte automatische Kupplung SaxOmat. Die vielfach geforderte Zweifarbenlackierung wurde erst ab Juli 1960 gegen Aufpreis angeboten, vordringlich für den Export. Im März 1960 wurde der Junior durch den Einbau verchromter Fensterzierleisten optisch aufgewertet. Gleichzeitig gab es ein neu gestaltetes Armaturenbrett mit Radioblende; die Türen trugen jetzt Armlehnen. Diese erste Serie des Junior 750 wurde bis zur Vorstellung des Junior de Luxe im Juli 1961 gebaut.
1960 entstand als Einzelstück ein Junior Universal, der noch 1965 seinen Dienst im Werk versah. Eine von der Auto Union gebaute viertürige Junior-Limousine diente einige Zeit der Düsseldorfer Polizei als Einsatzwagen.
Nachdem der DKW Junior de Luxe auf den Markt gekommen war, blieb der Junior 750 als Basismodell weiter in Produktion. Optisch hatte sich das Fahrzeug wenig verändert; lediglich das DKW-Wappen auf der Motorhaube war gegen einen DKW-Junior-Schriftzug ausgetauscht worden.
Im Dezember 1962 endete die Produktion des DKW Junior. In zweieinhalb Jahren wurden 118.986 Fahrzeuge gebaut.