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2019

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Echtzeit-Temperaturmessung von Halbleitern

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Mit einem neuen, von ZF patentierten Verfahren lassen sich wichtige Schlüsselgrößen bei der Entwicklung von Leistungselektroniken genauer berechnen.
Dr. Marco Denk, 17. Januar 2019
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Dr. Marco Denk verantwortet die Vorentwicklung für Leistungselektronik bei ZF. Bereits in seiner Promotion beschäftigte sich der Mechatroniker mit Leistungshalbleitern.
In jedem Hybridantrieb oder auch rein elektrischen Antriebssystem ist die Leistungselektronik die zentrale Schaltstelle. Sie reguliert den Leistungsfluss und steuert die Umwandlung der Batteriegleichspannung in eine dreiphasige Wechselspannung, wie sie die elektrische Maschine benötigt. Leistungselektroniken sind deshalb nicht nur für die Funktion eines elektrischen Antriebsstrangs verantwortlich, sondern auch für dessen Wirkungsgrad, dessen Zuverlässigkeit und nicht zuletzt für die Kosten.

Bei Leistungselektroniken zählen Halbleiter aus Silizium oder Siliziumkarbid zu den wichtigsten und zu den kostenintensiven Bauteilen. Die Halbleiter werden für Transistoren eingesetzt, die sogenannten Insulated Gate Bipolar Transistors (IGBTs). Die IGBTs sind für einen Elektroantrieb unverzichtbar. Je nach Betrieb sind diese Module hohen thermischen Belastungen ausgesetzt. Eine besondere Herausforderung ist deshalb die Dimensionierung der Halbleiterfläche: Zum einen muss ein zuverlässiger Betrieb des Systems von 15 Jahren und mehr sichergestellt sein, zum anderen soll der Materialeinsatz bauraum- und kostenoptimal sein. Dieses Gleichgewicht zwischen Sicherheitsreserve und Wirtschaftlichkeit zu finden, fällt Entwicklern schwer. Der Grund dafür sind fehlende exakte Daten von Betriebsbelastung und Alterung von Halbleitern unter Realbedingungen.

Anspruchsvolle Projektbeschreibung

Anspruchsvolle Projektbeschreibung

Genau hier setzte ein Forschungsprojekt von ZF an, das ich an der Universität Bayreuth umsetzen konnte: Kenngröße für die tatsächliche Belastung ist die Sperrschichttemperatur der Halbleiter. Ziel war, diesen Parameter im laufenden Betrieb im Leistungshalbleiter zu messen und dabei sowohl die Temperaturgrenzwerte zu dokumentieren als auch die Temperaturschwankungen zu analysieren. Auf diese Weise lassen sich die Betriebsbelastung der Halbleiter und Alterungsindikatoren bewerten. Erschwerend kam hinzu, all dies zu tun, ohne zusätzliche Sensoren anzubringen oder Modifikationen am Leistungsmodul vorzunehmen.

Ungewöhnlicher Lösungsansatz

Ungewöhnlicher Lösungsansatz

Um die Temperatur im laufenden Betrieb ohne bauliche Veränderungen zu messen, nutzen wir den internen Gate-Widerstand des Halbleiters als Sensor. Dazu modifizieren wir eine Ansteuerschaltung so, dass sich im ausgeschalteten Zustand ein sinusförmiges Identifikationssignal auf die Gate-Spannung aufmodulieren lässt. Als Systemantwort wird die über dem externen Gate-Widerstand abfallende Spannung aufbereitet, über eine Kalibrierkurve in Temperaturwerte umgerechnet und schließlich an das Controller-Board weitergegeben.
Wir verifizierten das neue Temperaturmessverfahren durch den Versuchsaufbau eines Hybridgetriebes von ZF, das zu Testzwecken mit einer Thermografiekamera ausgestattet war. Beim Vergleich der Messung via Infrarotkamera mit der auf Basis des internen Gate-Widerstands ermittelten Temperatur zeigte sich ein hohes Maß an Übereinstimmung der beiden Messverfahren.

Wohin mit den Daten?

Wohin mit den Daten?

Eine weitere Herausforderung bestand darin, die gemessenen Daten aufzuzeichnen und zu speichern. Aufwändige Zusatzmodule wie Solid-State-Discs (SSD) mit hoher Speicherkapazität kamen aus Platz- und Kostengründen nicht in Frage. Unkomprimiert haben die Daten bereits für eine kürzere Fahrt einen Speicherbedarf von einem Megabyte. Ein innerhalb dieses Projekts erarbeitetes Verfahren gestattet es jedoch, die gewonnenen Daten so zu komprimieren, dass das Temperaturprofil auch längerer Fahrten sich auf ein EEPROM mit 8-Kilobyte-Speicher aufspielen lässt.
Die so gewonnenen Belastungsprofile unterschiedlicher Testfahrer oder Automodelle lassen sich schließlich im Nachgang auswerten. Damit legt das neue Verfahren die Grundlage für Simulationen, mit denen wir die Dimensionierung der Halbleiter in Leistungselektroniken optimieren können.