Produkte für Pkw
CES2021 CES2021
Pkw

Vermittler in der Automobil-Software

min Lesezeit
ZF schafft mit seiner “Middleware” eine zentrale Software-Plattform für das Software-definierte Auto der Zukunft: Sie ist Dienstleister für alle Software-Anwendungen und ermöglicht den Datenaustausch zwischen ihnen.
Lars Weitbrecht,
author_image
Lars Weitbrecht kommt ursprünglich aus der Musik- und Gamingbranche, hält aber neben Gamepad und Gitarre auch gerne Stift und Lenkrad in der Hand.
Software ist für die Automobilbranche ein bekanntes Terrain. Die Hersteller und Zulieferer setzen seit Jahrzehnten darauf, mechatronische Systeme dank digitaler Steuerung leistungsfähiger zu machen – auch ZF. Viele Produkte des Konzerns erhalten vor allem durch Software ergänzende Funktionen. So lässt sich die Bremse dafür einsetzen, durch blitzschnelle radindividuelle Eingriffe ein Fahrzeug zu stabilisieren, das zu schleudern droht – das Grundprinzip aller ABS- und ESC (Electronic Stability Control)-Funktionen. Gurtsysteme straffen sich dank Sensor-Anbindung bereits vor einem Aufprall und senken damit die Verletzungsgefahr von Insassen. Adaptive Fahrwerkregelsysteme lösen den früher üblichen Kompromiss zwischen harter und weicher Dämpfung auf – sie dämpfen situationsgerecht sportlich oder komfortabel.

Die Zahl der elektronischen Steuereinheiten (ECUs) im Automobil hat in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. In heutigen Fahrzeugen sind rund 100 verschiedene ECUs verbaut. Deren Integration ins Fahrzeug ist komplex und die Software ist an die jeweilige Steuereinheit gebunden. Das mögliche Potenzial einer echten Systemvernetzung wird so nicht ausgeschöpft.
Die ZF-Middleware ermöglicht als eine Art Vermittler die effiziente Kommunikation zwischen Softwarefunktionen und Hardwarekomponenten. Sie ist unabhängig und kompatibel und macht Fahrzeugplattformen so zukunftssicher.

ZF-Middleware: Mechanik und Code optimal integrieren

Einen anderen Ansatz realisierten große Technologiefirmen wie Google, als sie vor etwas mehr als zehn Jahren begannen, das autonome Fahren voranzutreiben. Ein leistungsfähiger Zentralrechner führte auf der obersten Ebene Regie. In ihm liefen sämtliche Sensordaten zusammen. Den Regelbedarf für die wesentlichen Fahrfunktionen in Antrieb, Bremse und Lenkung bündelten Domain Controller, die mit dem Zentralrechner interagierten. Diese automobile Elektronik-Architektur ähnelte eher einem Computer: Im Auto lief ein Betriebssystem (engl. Operating System, kurz: OS), das weitere Systeme und Anwendungen in einem Netzwerk regelte.
Doch die Herausforderungen der Systemintegration werden dadurch nicht weniger. Damit die vielen Einzelsysteme, die bislang von verschiedensten Zulieferern mit jeweils eigener Steuerbox an den Hersteller angeliefert werden, sich effizient vernetzen, gilt es ein digitales Sprachproblem zu überwinden.
Genau dort setzt ZF mit seiner neuen „Middleware“ an, die das Unternehmen bei einer virtuellen Vorabveranstaltung zur CES 2021 präsentierte. Die ZF Middleware agiert als digitaler Übersetzer, durch den die Software-Applikationen der Einzelsysteme besser mit dem Betriebssystem und damit dem gesamten Fahrzeug kommunizieren können. Schlüsselfunktionen der Middleware sind die Abstraktion der Computer-Hardware von portablen Softwareanwendungen und die Kommunikation zwischen diesen Anwendungen. „Mit dieser neuen Lösung unterstreichen wir unseren Anspruch, einer der weltweit führenden Systemanbieter für das Software-definierte Auto der Zukunft zu sein“, sagt Dr. Dirk Walliser, Senior Vice President Corporate Research and Development.

Nahtlose Zusammenarbeit von Bits, Bytes und Komponenten

Ein solcher Ansatz verringert den Aufwand von Automobilherstellern, immer komplexere Systeme in das Fahrzeug zu integrieren. Software wie Hardware: Statt digitalem Sprach-Wirrwarr entsteht so eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Komponenten und verschiedenen Softwareschichten.
„Unsere Kunden profitieren von beschleunigten Entwicklungsprozessen und der deutlich reduzierten Komplexität bei der Integration von Hard- und Software. Zudem können während der gesamten Lebensdauer des Fahrzeugs Funktionen per Update aktualisiert oder zusätzlich angeboten werden“, sagt Walliser. Als umfassende Plattform soll die ZF Middleware 2024 in Serie gehen. Ihre Entwicklung ist eng verbunden mit der Entwicklung von Applikationen für die Technologiefelder Automatisiertes Fahren, Elektromobilität, Vehicle Motion Control und Integrierte Sicherheit.
Software, Funktionen, intelligente Systeme: ZF erweckt als Systemanbieter von Hard- und Softwarelösungen das Software-definierte Auto zum Leben.

Die Mobilität der Zukunft – offen und für alle

Die ZF-Middleware fungiert als Verbindungsglied zwischen den Software-Applikationen und den Hardware-Komponenten eines Fahrzeugs. Und dementsprechend muss nur die Middleware mit dem Betriebssystem des Fahrzeugs verbunden werden. Dieser Ansatz minimiert die Schnittstellen, garantiert eine schnelle Kommunikation zwischen allen Teilen des Systems und hilft den OEMs, die Komplexität der Systemintegration deutlich zu reduzieren. Gleiches gilt für die Hardware: Auch hier vereinfacht die Middleware die Integration ins Fahrzeug.
Die offene Hard- und Software-Architektur ermöglicht einen schnelleren und verbesserten Entwicklungsprozess zwischen ZF, den Fahrzeugherstellern und anderen Partnern – und das während der gesamten Lebensdauer des Fahrzeugs. So profitieren Hersteller und Endkunden von Fahrzeugfunktionen, die immer auf dem neuesten Stand der Technik sind.
Hinzu kommt, dass sich die Lösung von ZF modular skalieren lässt. Je nach Architektur des Herstellers bietet das Unternehmen einen kompletten Systemansatz oder einzelne Module an. Hinzu kommt – je nach Bedarf – die ZF ProAI-Supercomputer-Plattform. ZF kann etablierte Hersteller wie auch neue Player im Mobilitätsmarkt mit umfassenden Systemen versorgen, die Software, Rechner- und Sensorhardware sowie vernetzte Aktuatoren beinhaltet.

Neues globales Software-Center

Zudem entsteht mit dem neuen Global Software Center ein konzernweiter Hub, der Software für Zukunftsarchitekturen entwickelt und im ganzen Unternehmen zugänglich macht. Dadurch kann ZF neue Trends, Technologien, Methoden, Tools und Funktionen zentral koordinieren und standardisieren und über eine gemeinsame Entwicklungsplattform allen Geschäftsbereichen zur Verfügung stellen.
Allerdings zielt ZF nicht darauf ab, die Softwareentwicklung zu zentralisieren. Vielmehr werden die Teams, die schon lange Hard- und Software auf Komponentenebene eng verzahnt entwickeln, keine Kompetenzen abbauen. Hier schafft das Global Software Center durch gemeinsame Software-Integrationsprojekte ideale Rahmenbedingungen. Reine Softwareprodukte - wie die Middleware – werden dagegen zentral im Global Software Center erstellt und dann allen Bereichen im Konzern zur Verfügung gestellt.
Auf diese Weise kann ZF Software viel schneller entwickeln oder anpassen. Genauso wie es für zukünftige Software-definierte Fahrzeuge und die integrierte Zusammenarbeit mit Kunden und Partnern notwendig sein wird.